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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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vergeblich nach einem Gesicht, das er mehr als alles andere zu Gesicht bekommen wollte. Auch noch nach zehn Jahren würde er die breiten Kinnladen, die struppigen, sandfarbenen Haare des Mannes erkennen, der seine Familie gemeuchelt hatte. Doch Fulk war nirgends in dem wogenden, drängenden, kämpfenden Menschenmeer zu sehen.
    Die Sonne sank ins Meer, da legten die letzten Verteidiger von Brix die Waffen nieder. Roriks Ansturm war wie eine Sturzflut über die Festung hinweggefegt, so daß keine Zeit geblieben war, den Bergfried rechtzeitig für eine Belagerung zu verbarrikadieren. Ein verbitterter Seneschall übergab sein Schwert vor dem Eingang des großen Saals. Die Familie befinde sich im Inneren des Saales, erklärte er.
    Rorik starrte verächtlich an dem Seneschall vorbei. Er hätte Fulk nicht für einen so großen Feigling gehalten, sich bei den Frauen und Kindern zu verstecken, während seine Kämpen ihr Leben zu seiner Verteidigung ließen. Die Toten lagen zuhauf verstreut auf dem Hof, und Fulk drängte sich ängstlich mit seiner Familie im Saal.
    Rorik stieg von seinem Pferd und bedeutete einem Fußsoldaten, seinen Hengst zu übernehmen. Sihtric und Sir Guillaume taten das gleiche. Gemeinsam schritten sie in den Großen Saal. Innen sah es beinahe so aus wie Rorik es in Erinnerung hatte. Er sah den Gang mit der Balustrade, der zum kleinen Saal und den Gemächern führte, die nur der Familie vorbehalten gewesen war. Weiter entlang führte der Gang zum obersten Geschoß, wo er und seine Brüder geschlafen hatten. Der große Saal, in dem sie sich jetzt befanden, war nur zu besonderen Anlässen benutzt worden, denn er war schwer zu heizen und beinahe so zugig wie der offene Burghof. Die Wandteppiche waren immer noch dieselben, die sein Vater hatte aufhängen lassen. Nur sahen sie verblaßter und staubiger aus.
    Sie erwarteten ihn auf dem Podium am Ende des Saals. Der Gang über das verschmutzte Stroh schien mindestens eine Meile lang zu sein, und bei jedem Schritt pochte Roriks Herz heftiger.
    Er stand vor der erhöhten Plattform, da gefror ihm das Herz in der Brust. Zuerst bemerkte er gar nicht Fulks Abwesenheit. Er sah nur Theoda. Eigentlich hatte er nicht geglaubt, sie hier anzutreffen, trotz Alaines Worten. Er hatte es nicht gewagt, darüber nachzudenken, was er wohl tun würde, wenn sie da wäre. Er erkannte kaum die Frau auf dem Podium als seine Mutter, die er einst angebetet hatte. Seine Mutter war eine große, stattliche und starke Frau gewesen. Diese Frau hier war in sich zusammengesunken und hager. Falten gruben sich ihr ins Gesicht, das Haar, glanzlos und grau, löste sich in fettigen Strähnen von dem schlampig gewundenen Knoten in ihrem Nacken. Trübe, wässrige Augen ruhten auf ihm, schweiften dann in eine leere Saalecke ohne ein Zeichen des Wiedererkennens. Beinahe verspürte er ein klein wenig Mitleid. Aber nur beinahe.
    »Wo ist Fulk?« fragte er mit harter Stimme.
    »Wer seid Ihr, Sir?« Die bittere Frage kam von einem Mann zu Theodas Rechten, schlank und schmal wie ein Dolch. »Wer seid Ihr, der ohne Grund einen Krieg mit uns führt?«
    Rorik verzog den Mund zu einem unangenehmen Lächeln und überging den jungen Emporkömmling. »Erkennt Ihr mich nicht, Mutter? Erkennt Ihr Euren eigenen Sohn nicht?«
    Ein kurzes Aufleuchten in den Augen der alten Frau erlosch sofort wieder.
    »Lady Theoda hat keine Söhne«, antwortete der junge Mann hämisch.
    Ein bitterer Zug legte sich um Roriks Mund. »Einst hatte sie drei. Vielleicht wird sie es einmal bereuen, daß sie immer noch einen hat.«
    Die Augen des jungen Mannes wurden groß, und er runzelte ungläubig die Stirn. »Ihr meint doch nicht …!«
    »Ich bin Rorik Valois, der rechtmäßige Vicomte von Brix, und«, fügte er mit einem Hauch von Bosheit hinzu, »Herzog Williams Stellvertreter im gesamten Cotentin. Ich bin gekommen, mir das zurückzuholen, was Fulk mir auf so verräterische Weise geraubt hat.«
    Der Mann erbleichte, doch Theoda hob die Hand. Vernunft kehrte kurz in ihren Blick zurück.
    »Fulk ist fort«, sagte sie. Zu Roriks Überraschung war ihre Stimme immer noch sanft und melodiös wie früher. Er hat das Gekrächze einer Hexe erwartet.
    »Wohin?« verlangte Rorik zu wissen. Das war wohl der Grund für die schwache Verteidigung der Burg.
    »Fulk ist tot.« Die Stimme des jungen Mannes tönte herausfordernd. »Ich bin Phillip, sein Sohn und Erbe. Ich bin der Herr von Brix.«
    Fulk tot! Die Worte hallten in seinem Kopf wider. Nun war

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