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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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Namen im Schlaf rief, war Alaine überzeugt, daß er schlecht träumte. Wenn seine Augen hie und da weniger zurückhaltend als sonst auf ihr ruhten, machte sie sich deshalb keine Hoffnung, daß sein Wesen auftaute. Die steinerne Mauer, die er zwischen ihnen aufgerichtet hatte, war ein unüberwindbares Hindernis zwischen ihnen geworden. Und wenn auch Alaine den Kampf nicht ganz aufgegeben hatte, so war ihr noch keine Strategie eingefallen, seine Abwehr zu durchbrechen.
    Einen kurzen Augenblick erwog sie, ob die Nachricht des Kindes vielleicht den Mann erlösen konnte, der hinter dieser Mauer verbannt war. Doch die Ungewißheit ließ sie an ihrem alten Vorhaben festhalten. Es geschähe dem Eselskopf ganz recht, in die Schlacht zu reiten, ahnungslos, daß er einen Erben erwartete. Eine hartherzige und kleinliche Rache. Andererseits hatte Rorik in letzter Zeit wenig dazu beigetragen, ihre Gnade zu verdienen. Das Kind wurde ihre heimliche Freude, das sie im stillen mit Wonne an sich drückte. Es sähe ihm bestimmt ähnlich, ihr diese Freude zu vernichten, wenn er es erführe. So würde sie ihr Geheimnis so lange wie möglich bewahren.
     
    Der große Tag war angebrochen. Das Heer stand versammelt im Burghof und wurde mit großen Augen neugierig und voller Bewunderung von sämtlichen Bewohnern der Burg betrachtet. Dreikäsehochs schauten sehnsüchtig zu, wenn Scheinkämpfe mit Stechpuppen und stumpfen Lanzen abgehalten wurden. Frauen und Mütter blickten zugleich stolz und ängstlich. Die Ritter zeigten sich rauh und sachlich, schlachtgewohnte Krieger voller Ungeduld gegenüber den jungen Männern der Burg und aus den Dörfern, die stolz ihre Streitkolben, Schwerter und Bogen an sich nahmen. Mitleidig sahen sie auf die Männer, die nicht das Glück hatten, an diesem Tag mit Sir Rorik zu reiten.
    Alaine überbrachte Rorik den Abschiedstrunk und wünschte ihm viel Glück. Er nahm ihre Gabe an und trank, dankte ihr höflich und feierlich. Sein Mund wurde zu einem schmalen Strich, als er zu ihr hinunterblickte. In seinen Augen flackerte eine unauslotbare Gemütsregung. Sein Helm hing noch über seinem Sattel, ein plötzlicher Windstoß zerzauste die kurzen, ebenholzschwarzen Locken, die ihm wirr um die Stirne lagen. Nie hatte sie ihn so wild-entschlossen, anziehend und verletzlich gesehen. Eine düstere Vorahnung zog ihr das Herz zusammen.
    »Paßt auf Euch auf, meine Gemahlin«, sagte er schließlich. Seine Stimme klang nicht so kalt wie sonst. »Wenn sich die Lage beruhigt, sende ich einen Boten aus Brix, Euch zu berichten, wie es uns ergangen ist.«
    Sie lächelte tapfer, wie es sich für eine gute Ehefrau geziemte. »Paßt gut auf Euch auf, mein Gemahl.« Es gelang ihr nicht ganz, den besorgten Ton in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Ich werde für Euren Sieg beten. Und daß Ihr unversehrt bleibt.«
    Einen flüchtigen Augenblick dachte sie, er würde ihr noch etwas sagen. Doch schwieg er beharrlich weiter und sah ihr weiterhin unverwandt tief in die Augen. Dann war ihre Frist abgelaufen. Nach einem förmlichen Abschiedsgruß, schwenkte er seinen Streithengst mit den Zügeln um und setzte sich in Trab, eine Hand zum Zeichen des Aufbruchs für seine Mannen erhoben. Mit einem Mal bereute sie ihren kleinherzigen Entschluß, ihm nichts von ihrem Kind erzählt zu haben. Jetzt war aber nicht die Zeit. Sie lächelte und spielte die mutige und zuversichtliche Ehefrau, als das Heer durch das Burgtor ritt.
     
    Rorik atmete tief die kalte Frühlingsluft ein. Er blickte über die Schulter, um zu sehen, ob auch sein letzter Mann das Burgtor passiert und über die Zugbrücke gekommen war. Nun war die Stunde da, seine Rache zu stillen. Nun würde er mit Fulks Blut die Ehre seiner Familie wiederherstellen. Er zweifelte keinen Augenblick an seinem Sieg. Mit jeder Faser seines Wesens strebte er gen Norden, den meerumtosten Klippen zu, auf deren Höhe die mächtige Festung von Brix thronte. Bald würde die Burg vor seinem rechtmäßigen Herrn auf die Knie sinken. Vielleicht zöge dann der Frieden in seine Seele ein.
    Doch nicht Brix allein lastete ihm auf der Seele bei seinem Ritt über die Wiesen an dem regengeschwollenen Ste. Claire entlang. Den ganzen Winter über hatte Alaine ihn im Wachen und im Schlaf verfolgt. Sein Körper begehrte sie, seine Seele sehnte sich nach der erlösenden Liebe zu ihr.
    Wenn er nur dieser kindischen Verliebtheit ein Ende bereiten könnte. Wenn er sich nur seiner Frau gegenüber gleichgültig verhalten und den

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