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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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herunterzulassen und das Tor zu öffnen, sollte es den Verteidigern gelingen, sich im inneren Burghof zu verschanzen, ehe Roriks Heer den Zwinger passiert hatte.
    Zum vereinbarten Zeitpunkt setzte sich Rorik auf sein Pferd und gab das Signal zum Aufbruch. Es gab so gut wie keine Möglichkeit, die festen Mauern im Sturm einzunehmen. Rorik befahl daher seinen Männern, nicht unnötig Blut aus falsch verstandenem Heldentum zu vergießen. Bis die Tore geöffnet waren, hieß ihre Aufgabe einzig und allein Ablenkung.
    Das Erscheinen von Roriks Heer auf dem freien Gelände vor den Mauern hatte einen Hagelsturm von Steinen und Pfeilen seitens der Verteidiger zur Folge. Die Ritter verwendeten ihre Schilde als Schirm und ritten weiter. Die Fußsoldaten marschierten weiter durch den tödlichen Regen unter dem Schutz ihrer Sturmdächer – zusammengebundene Pflöcke mit Fellen bedeckt –, die sie abends zuvor hergestellt hatten. Vorsichtig überquerten sie die unbewachten äußeren Schutzwälle und Gräben. Die Barrikade innerhalb der äußeren Palisaden befand sich in einem derart bejammernswerten Zustand, daß sich niemand auch nur die geringste Mühe für ihre Verteidigung gemacht hatte.
    Die Attacke tödlicher Wurfwaffen verdoppelte sich, als die erste Welle der Angreifer die äußere Mauer erreicht hatte. Doch schritt auch noch der unerfahrenste Soldat unbeirrt weiter voran. Mit viel Aufhebens wurden Leitern gegen die Steinmauern gelehnt. Die Soldaten auf der Festungsmauer hielten sich für besonders klug, jede einzelne dieser Leitern von der Mauer wegzustoßen, ehe der Feind auf halber Höhe die Sprossen erklommen hatte. Lachend sprangen Roriks Männer behende von den kippenden Leitern. Sie waren froh und erleichtert, nicht den Schwertern und Langen entgegentreten zu müssen, die sie oben auf den Mauern erwarteten.
    Rorik sammelte seine Ritter und die meisten seiner schlachterprobten Männer vor dem Tor und stellte die unerfahrenen Burschen an den weniger gefährlichen Stellen entlang der Mauer auf. Plötzlich entstand ein wildes Hin und Her im Wartturm. Die Zugbrücke sauste plötzlich herunter, als wäre sie von ihrer Vertäuung losgerissen worden. Rorik stand bereit und war gefaßt. Dem Aufprall der Zugbrücke folgte sofort das Rattern der nach oben gezogenen Fallgatter. Rorik sprach ein inneres Dankgebet und machte ein Zeichen, den Rammbock nach vorne zu bringen. Dann wurde seine Aufmerksamkeit von einem Schrei abgelenkt, der von der Mauer tönte. Eine Gestalt sprang von der obersten Holzbarriere hinunter in die Menge der Fußsoldaten. Timor landete mit Gebrüll und riß gleich etliche seiner Kameraden mit zu Boden, die sich aber gleich wieder feixend auf die Füße rappelten. Der Knappe winkte mit einem dreckverschmierten Arm und warf Rorik ein siegreiches Lächeln zu. Irgendwo auf seiner Exkursion hatte er sein Schwert verloren, und jemand warf ihm jetzt eines zu. Er schwang das Schwert mit bravouröser Geste zum Salut für Rorik, was zu dem Schmutz an seinen Kleidern und im Gesicht so gar nicht passen wollte. Rorik mußte lachen. Sogar aus der weiten Entfernung konnte er den Gestank riechen. Er fragte sich, ob Fulks Männer es wagen würden, seinen Knappen in einen Nahkampf zu verwickeln.
    Der Rammbock machte kurzen Prozeß mit dem Tor, nun, da die Fallgatter hochgehoben worden waren, auch wenn die Burgverteidiger Pfeile und Steine vom Wartturm und den Scharwachttürmen niedersausen ließen. Rorik gab als erster seinem Pferd die Sporen, den Eingang zu passieren, knapp gefolgt von Sihtric, Sir Guillaume und Sir Robert. Dann strömte Roriks Heer durch die zertrümmerte Barriere. Die Verteidiger wurden durch den unerwarteten Überfall nach hinten gedrängt.
    Rorik kämpfte wie vom Teufel besessen. Und er fühlte sich auch wie besessen, allerdings nicht so sehr vom Teufel als von einem rasenden Zorn, den er jahrelang unterdrückt hatte. Er spürte nicht einmal die scharfen Spitzen der Speere und Pfeile, die durch sein Kettenhemd drangen.
    Endlich erreichten sie die innere Burgmauer. Das Tor war fest verschlossen. Doch noch ehe Rorik zum zweiten Mal das Zeichen für den Rammbock geben konnte, öffnete sich, in seinen schweren Angeln knarrend, das feste, eisenbeschlagene Burgtor. Grinsend ritt Rorik hindurch. Zweimal schon war an diesem Tag seine Arglist erfolgreich gewesen. Fulk wurde wohl langsam alt und nachlässig.
    Das Getümmel im inneren Burghof war nicht weniger heftig als auf dem Zwinger. Rorik spähte

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