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Die Herrlichkeit des Lebens

Die Herrlichkeit des Lebens

Titel: Die Herrlichkeit des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kumpfmüller
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einen Becher saure Milch, weil er bei Tisch kaum gegessen hat.
    Bisher hat ihm niemand Fragen gestellt, weder über die Wochen in Müritz noch über die nähere Zukunft. Die Mutter hat ihn beiläufig gefragt, ein wenig mitleidig oder auch gekränkt. Sie weiß, er ist nicht gerne nach Hause zurückgekehrt, dass er sich nicht wohlfühlt, dass er die Tagenur irgendwie erduldet. Wie immer unterschätzt er sie auch. Sie will zum Beispiel nicht glauben, dass die Reise ein Fehlschlag war. Sie sagt: Ich hoffe, du hast in Deutschland etwas erfahren, das dich froh macht. An das du dich erinnern kannst. Der Doktor ist überrascht, gibt ihr sofort Recht, ja, manches mache ihn sehr froh. Und sie: Dann ist es gut. Ich freue mich. In der Tür dreht sie sich noch einmal um. Auch der Vater mache sich Sorgen. Jeder von uns.
    Sie geht auf die siebzig zu, sie wirkt müde, man hört sie oft seufzen, mehr für sich, aus Kummer über alles und jeden.
    Den Vertrag mit dem Verlag hat er vor Tagen unterschrieben und nach Berlin geschickt. Er hat nur seinen Namen darunter setzen müssen, als wäre das der erste Schritt, den er zwar nur zur Hälfte billigt, den er aber tun muss, um den Glauben nicht zu verlieren.
    Die Zeitungen schreiben nun täglich über den nicht enden wollenden Sturz der Mark und wie er die Deutschen immer tiefer in ihr selbst verschuldetes Unglück stürzt. Das Tempo ist gespenstisch. 70   000 Mark kostet ein Liter Milch, 200   000 ein Laib Brot, der Dollar steht bei vier Millionen. Was wird um Himmels willen die Miete für das Zimmer kosten, falls es je zu diesem Zimmer kommt?
    Ottla hat eine Karte geschrieben, in der sie sich erkundigt, wie es ihm geht, was sie für ihn tun kann. Der Doktor weiß nicht recht, wie er darauf antworten soll. Vor Tagen hat er begonnen, ihr zu schreiben, in Andeutungen von Müritz, was ihm dort geschehen ist, was es für ihn bedeutet. Er hat den Brief nicht abgeschickt. Ottla hat andere Sorgen als einen verwirrten, kraftlosen Bruder. Sie soll nicht merken, wie er hofft, sie könnte ihn hier wegholen,denn genau das ist seine Hoffnung, dass sie in der Tür steht und sagt: Ja, komm, überall ist es besser als in diesem Zimmer.
    Dora möchte wissen, an welche Art von Unterkunft er gedacht hat. Willst du mir das bitte schreiben, damit mein Berliner Bekannter weiß, was er suchen soll? Bei ihr sei alles beim Alten, seit er weg sei, fehle ihr in der Kolonie der rechte Schwung. Diese und nächste Woche noch, dann ist es vorbei. Was macht der Schlaf? Kannst du schlafen? Wenn ich am Strand war, schlafe ich wie ein Murmeltier, aber meistens reicht die Zeit nicht dazu, dauernd will jemand etwas von mir, dauernd sitze ich in der Küche, die sich täglich bei mir beklagt, dass sie dich so lange nicht gesehen hat. Weißt du noch, wie wir im Wasser waren? Wann wirst du kommen? Bitte komm bald. Hast du ein Zimmer, kannst du doch kommen.
    Es tröstet ihn, dass sie an das Zimmer glaubt. Ein Bett müsste er haben, einen Tisch zum Schreiben. Sonst braucht er nichts. Ein Sofa wäre angenehm, eine Heizung, wenn es kalt wird, Licht und Wasser. Für einen Moment glaubt er daran. Es ist möglich. Er hat sie getroffen. Deshalb ist es möglich.
    Ottla hat für einen Tag ihre Sommerfrische verlassen. Nur seinetwegen, wie sich herausstellt, Elli und die Mutter haben in ihren Briefen kein Blatt vor den Mund genommen. Sie hat ihn kurz angeschaut und sofort beschlossen, dass er von hier wegmuss, aufs Land, an die frische Luft. Im ersten Moment ziert er sich, obwohl er dankbar und erleichtert ist, beschämt, weil sie die beiden kleinen Mädchen hat und trotzdem an ihn denkt.
    Zu besprechen gibt es erst mal nicht viel. Ottla ist in seinem Zimmer, um beim Packen zu helfen, fühlt ihm dieStirn, redet von ihrem Quartier beim Kaufmann Schöbl, dass er auch wärmere Sachen braucht, falls das Wetter umschlägt und sich herausstellt, dass es nicht nur ein paar Tage sind. Bis Ende September können sie bleiben. Er erschrickt, weil das mehr als vier Wochen sind, aber er fühlt sich matt, er hat Fieber, deshalb widerspricht er nicht.

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    M ANCHMAL WACHT SIE NACHTS AUF und ist voller Zweifel: ob er kommt, warum sie all die Tage so sicher gewesen ist, selbst jetzt, da ihr plötzlich alles fraglich erscheint, als könne er es sich nicht noch anders überlegen, zum Beispiel weil er ernstlich krank wird, weil er nicht mehr daran glaubt, weil er anfängt, sie zu vergessen.
    In den ersten Tagen hat sie gedacht, sie habe genug für

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