Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
Versprechen einlösen konnte. Hezekiah beharrte darauf, dass sie nur so lange unterwegs sein würden wie nötig, aber genauso beharrlich weigerte er sich zu sagen, wie lang das sein mochte. Bant wusste, dass seine Reise nur eine Jahreszeit oder mehrere Jahre dauern konnte. Er wünschte, er könnte sich der Pflicht widersetzen. Wie auch immer, nachdem er das Wunder miterlebt hatte, bei dem Hezekiah von dem Speerstoß nicht verletzt worden war, wusste er jenseits aller Zweifel, dass dieser Mann ein wahrer Bote Gottes war. Sich Hezekiah zu widersetzen wäre das Gleiche gewesen wie sich Gott selbst zu widersetzen.
Bants größte Angst galt der Frage, welche Folgen es haben mochte, dass sie den Drachen getötet hatten. Aber es war über ein Monat vergangen, ohne dass es einen Hinweis auf die Armeen des Königs gegeben hätte. Vielleicht hatte Hezekiahs »Aufführung« gereicht, um sie für immer in Angst zu versetzen.
Mit einem letzten Kuss löste Bant sich aus Recannas Umarmung, dann ging er nach draußen. Hezekiah wartete auf ihn, sein Wagen war beladen und bereit, der Ochsenhund scharrte ungeduldig auf dem Boden. Sein Atem bildete Wölkchen in der Morgenluft. Bant zitterte, als die Brise
mit seinem Umhang spielte. Die strahlende Sonne, die sich gerade über die Bäume schob, verhieß einen warmen Tag.
»Sieht ganz so aus, als würde es ein guter Tag zum Reisen werden«, sagte Bant und legte sein Bündel auf den Wagen.
»Jeder Tag ist ein guter Tag, um die Arbeit des Herrn zu verrichten«, erwiderte Hezekiah.
Bant nahm seinen Platz neben Hezekiah ein. »Habt Ihr unser Ziel bestimmt?«, fragte er.
»Wir werden nach Norden gehen, tiefer ins Herz der Unwissenheit hinein. Der Herr wird entscheiden, wann wir den Ort Seiner nächsten Kirche erreichen.«
Hezekiah ließ die Zügel knallen. Der Ochsenhund ließ ein tiefes Bellen hören und begann, den schweren Wagen zu ziehen. Bant warf einen Blick zu seinem Haus zurück, zu seiner Frau und seinen Kindern, die in der Tür standen. Ihre Gestalten schimmerten, als seine Augen sich mit Tränen füllten.
Sie passierten die jetzt kahlen Obstwiesen mit den Birnbäumen. Die Luft war erfüllt von dem Geruch nach trockenen Blättern. In der Ferne trieben Dorfjungen eine Ziegenherde zum Melken zusammen. Schon bald würden die Frauen sich der Käseherstellung widmen. Bant dachte über all die Dinge nach, die im Dorf noch erledigt werden mussten. Im vergangenen Monat war nicht genug Zeit gewesen, um alles zu Ende zu bringen. Sie hatten sich um das Notwendigste gekümmert, aber er wusste, dass Recanna es gern gehabt hätte, wenn er das Haus gestrichen oder die Scheune von Tabes Witwe ausgemistet hätte, und er wusste, die Männer hätten seine Hilfe beim Graben des zweiten Brunnens gut gebrauchen können.
Am meisten hasste er es, Recanna allein mit den Kindern zurücklassen zu müssen. Wenn er Adam das nächste Mal sah, würde der Junge sicherlich laufen können, vielleicht sogar sprechen. Er wollte diese Dinge miterleben. Er hätte gern mit Hezekiah gesprochen, aber im Laufe der Jahre hatte er gelernt, die unablässige Botschaft des Propheten zu erfassen: Je mehr er in dieser Welt litt, desto größer würde seine Belohnung in der nächsten sein.
»Dies ist ein Teil von Gottes Plan«, sagte Bant. Er meinte es als Bestätigung, aber es klang in seinen eigenen Ohren wie eine Frage.
»Alles ist ein Teil von Gottes Plan«, sagte Hezekiah.
Der Ochsenhund ging langsam, aber unerschütterlich. Mit jedem Moment entfernte sich Bant weiter von seinem Zuhause.
Sie waren fünf Meilen von Christtal entfernt und die Sonne stand hoch am Himmel, als sie die Erddrachen sahen. Diesmal ritten nur zwei von ihnen auf den großen Echsen, aber zahlreiche Soldaten begleiteten sie, marschierten in einer langen Reihe hintereinander, so dass sie in der Ferne wie eine gewaltige smaragdgrüne Schlange aussahen, die sich durchs herbstliche Laub wand.
»Hezekiah …«
»Ich sehe sie, Bant Bitterholz«, antwortete der Geistliche.
»Was glaubt Ihr, hat das zu bedeuten? Was sollen wir tun?«
»Weiterfahren«, sagte Hezekiah, und genau das tat er, hielt den Wagen auf der Straße, während er sich der entgegenkommenden Gruppe näherte.
Als sie noch hundert Schritt voneinander entfernt waren, stellten sich die Drachen in Dreierreihen auf und streckten die Speere vor. Hinter ihnen zügelte einer der berittenen Drachen sein Reittier. Bant erkannte Mekalov wieder, den Drachen, der im Monat zuvor in
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