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Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz

Titel: Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Maxey
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Himmelsdrache, nicht Bodiel. In dem schwachen Licht rückte Shandrazel näher. Die Käfer, die über die Leiche des Drachen schwärmten, bewiesen, dass sie schon seit Stunden dort hing. Der Leichnam stank; die Gedärme des Himmelsdrachen hatten sich nach dem Tod entleert. Seltsam genug, hing in der Luft gleich unterhalb des Gestanks der unverkennbare leckere Geruch nach Horch.
    Ein einzelner Pfeil ragte aus dem Kinn des Drachen. Shandrazel musterte den Pfeil, der mit einer roten Federschuppe gefiedert war, die vom Flügel eines Sonnendrachen stammte; schwarze Fäden waren um den zersplitterten Kern gewickelt und verbanden ihn mit einem schmalen Eschenstock. Er sah sich das Gesicht näher an. Und schnappte nach Luft. Er kannte diesen Drachen.
    »Das war Dacorn«, sagte Shandrazel. »Ein Biologe. Er hat
mir während meiner Sommerzeit auf der Pferdeinsel Botanik beigebracht. Aber wer würde so etwas tun? Er war eine sanfte Seele. Er hatte keine Feinde.«
    Albekizan schenkte Shandrazels Worten keine Beachtung. Auch er hatte den Pfeil bemerkt. Er zog ihn aus der Leiche heraus, um ihn zu untersuchen. Es war ein kleiner Gegenstand in Albekizans Klauen, ein armseliges Holzstück, das er mühelos zerbrach.
    Shandrazel hob seinen langen Hals und brüllte: »Bodiel!«
    »Er wird nicht antworten«, sagte Albekizan. Er sprang auf, stieß Zweige beiseite, während er sich in die Luft erhob, um die Suche in dem heftigen Regen wieder aufzunehmen. Shandrazel versuchte ihm zu folgen, aber der Regen machte es schwierig, seinen Vater zu sehen, und erst recht, bei ihm zu bleiben. Sie flogen in immer breiter werdenden Kreisen, suchten in den Bäumen, und schon bald hatte Shandrazel die Spur seines Vaters verloren. Er fuhr mit seiner Suche fort, in der Hoffnung, dass das Auffinden der Leiche seines ehemaligen Lehrers nur ein makabrer Zufall war.
    Schließlich fand Shandrazel Albekizan am Flussufer. Er hielt Bodiels Kopf an seine Brust gedrückt. Dessen von Pfeilen gespickter, lebloser Körper lag halb im Wasser – möglicherweise war er weiter flussaufwärts gestorben und hier angespült worden. Shandrazel landete auf dem Boden und hatte das Gefühl, als würde sein eigenes Herz von einem Pfeil durchbohrt. Niemals hatte es eine so kühne und fröhliche Seele gegeben wie die von Bodiel. Es kam ihm unmöglich vor, dass er tot sein sollte.
    Shandrazel machte einen Schritt vorwärts, benutzte seine Schwingen, um seinen Vater vor dem Regen zu schützen.
Er erstarrte, als Albekizan ihn ansah. Ihre Blicke verschränkten sich. Albekizans Augen loderten vor Wut, vor Wut und noch etwas anderem, einem Gefühl, das er seit vielen Jahren nicht mehr in den Augen seines Vaters gesehen hatte: Leidenschaft. Albekizan, der Bodiels Leichnam umklammerte, war erfüllt von furchterregendem, brennendem Leben.
    Shandrazel stolperte zurück, seine Klauen glitten auf dem matschigen Boden aus. Die Luft wirkte wie geladen, bereit, Funken zu sprühen.
    Der König ließ Bodiel in den Matsch sinken und erhob sich zu seiner vollen Größe. In seinen Vorderklauen hielt er einen einzelnen Pfeil und musterte die leuchtend rote Befiederung, als würde er seine Seele mustern. Blitze fanden in der Nähe ein Ziel, wieder und wieder, ließen den Boden erzittern. Feuer sprang von den Spitzen der größten Bäume, die meisten uralt. Albekizan zuckte nicht zusammen. Shandrazel konnte sich nicht rühren. Als der Donner in ihren dröhnenden Ohren verklang, hob Albekizan den Pfeil gen Himmel und stieß ein einziges Wort aus.
    »Bitterholz!«

Kapitel Zwei
Kreise
    A ls Gadreel zur Lichtung beim Fluss zurückkehrte, bestand das einzige Geräusch im nächtlichen Wald in dem konstanten Stakkato des von den Blättern tropfenden Regens. Sein Herr – Zanzeroth, ein alter Sonnendrache, dessen Größe es sogar mit der des Königs aufnehmen konnte und der der beste Spurensucher im Land war – musterte noch immer die Umgebung. Zanzeroths goldene Augen glühten im Mondlicht, das zwischen den aufbrechenden Wolken hindurchsickerte.
    Albekizan stand in der Nähe und sah zu, wie der alte Jäger vorsichtig über den matschigen Boden ging. Gadreel kam der Flecken, auf dem sie standen, ziemlich unauffällig vor, aber Zanzeroth hatte ihn sofort zu dem Ort erklärt, an dem Bodiel gestorben war, drei Meilen flussaufwärts von der Stelle, an der seine Leiche gefunden worden war.
    Gadreel vermutete, dass der König ihn wegen seines Status ignorierte. Es war leicht, einen Menschen als Sklaven zu behandeln.

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