Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
hören und sich umgedreht, er hat reflexartig um seine Beute gefürchtet und sich dann wieder gefangen. In diesem Augenblick hat er zum ersten Mal begriffen, dass sein eigenes Leben in Gefahr war.«
Zanzeroth streckte seine Schwingen weit von sich, um das Gleichgewicht zu halten, während seine Klauen sich durch den Matsch wühlten und Bodiels Handlungen nachahmten.
»Bodiel ist auf das Gebüsch zugesprungen, aber er hat es nie erreicht. Sein Feind ist bereits durch den Wald gelaufen; er ist von der Seite gekommen, und der dritte Pfeil stammte von dort.« Der Jäger zog einen langen Speer aus dem Köcher auf seinem Rücken und deutete mit dem Schaft auf eine kleine Lücke zwischen den Bäumen. »Der vierte Pfeil ist sofort danach gekommen und hat Bodiels Lunge durchbohrt.« Zanzeroth hockte sich hin, breitete die Schwingen über dem Matsch aus. »Hier ist der Prinz gestürzt. Er hat noch gelebt, aber schreckliche Qualen gelitten. Er hat nur kurz geschrien, ehe ein fünfter Pfeil sich in seine Kehle gebohrt hat. Der Prinz hat sich bemüht aufzustehen, unwillig, sein Schicksal anzunehmen. Er ist zum Wasser gekrochen, wo er Linderung gesucht hat. Noch immer sind weitere Pfeile geflogen. Der Bogenschütze wusste, dass Bodiel nur noch wenige Augenblicke zu leben hatte, aber er wollte ihn leiden lassen. Die jetzt folgenden Pfeile waren nicht dazu gedacht, den Tod zu beschleunigen, sondern seine Qual zu mehren. Die Pfeile drangen in das zarte Fleisch der Schwingen und des Schwanzes. Bodiel ist schließlich zusammengebrochen, wobei der linke Flügel in den Fluss geraten ist. Die zunehmende Strömung hat ihn vom Ufer weggerissen.«
Zanzeroth machte Anstalten, aufzustehen, rutschte aber im Schlamm aus. Gadreel eilte zu ihm und streckte eine Klaue aus, damit der Jäger sich festhalten konnte. Zanzeroth wies diese Hilfe jedoch zurück, grub seine Hinterklauen nur noch tiefer in den Matsch und befreite schließlich seine Schwingen. Er schüttelte sie, um sie zu säubern, spritzte Gadreel mit Matsch voll, der leicht nach Mist roch.
»Und Bitterholz?«, fragte Albekizan, während er die umgebenden Bäume musterte. »Was ist aus ihm geworden?«
»Er ist natürlich geflohen«, sagte Zanzeroth. Er steckte den Speer zurück in den Köcher. »Auf dem Rücken eines Pferdes. Er ist meilenweit weg, aber wir werden ihn finden. Selbst nach dem heftigen Regen können die Ochsenhunde der Spur eines Pferdes folgen.«
Während Zanzeroth sprach, erzitterte das Gebüsch hinter ihm, und dann trampelten zwei riesige Ochsenhunde auf die Lichtung, zogen die Erddrachen an den Leinen hinter sich her. Erddrachen waren kräftig, untersetzt und nicht größer als Menschen, aber doppelt so breit. Sie hatten dicke muskulöse Arme statt Schwingen und mächtige Schultern, die ihre breiten, schildkrötenähnlichen Köpfe trugen. Sie waren so stark wie Maultiere, aber ihre Kraft vermochte die mächtigen Hunde nicht zu bremsen. Die Hunde zerrten ihre Halter an Zanzeroths Seite. Ihr widerlicher Atem dampfte in der vom Regen abgekühlten Nacht. Wenige Augenblicke später tauchte eine Schwadron Erddrachen aus dem Gebüsch auf, die besten, die die Palastwache zu bieten hatte.
Zanzeroth nahm die Leinen der Hunde und führte sie zu der Stelle, an der das Pferd gestanden hatte. Die Hunde schnüffelten und schnupperten, arbeiteten sich durch das feuchte Laub des Waldes. Plötzlich erstarrte einer. Der zweite lief zu der gleichen Stelle und drückte seine Schnauze dort an den Boden. Sie hoben die fassgroßen Köpfe und bellten aufgeregt.
»Sie haben die Spur gefunden«, sagte Zanzeroth.
Die Hunde liefen zur Lichtung zurück, folgten den Hufabdrücken
im Schlamm. Zanzeroth wickelte die Lederleinen von seinem Handgelenk ab und ließ die Hunde frei. Sie rannten am König vorbei ins Unterholz, keuchten vor Aufregung.
Die Jagd hatte begonnen. Die Ochsenhunde bewegten sich ungleichmäßig voran, rasten ein Stück, wenn sie die Spur hatten, blieben jedoch abrupt stehen und schnüffelten am Boden, wenn die Spur verwaschen und unklar war. Zanzeroth und Albekizan folgten mit den Soldaten, die vor dem König gingen und möglicherweise behindernde Pflanzen wegschnitten.
Gadreel war nur halb so groß wie die Sonnendrachen, und dennoch empfand er den dichten Pflanzenbewuchs als einengend. Er hätte sich am liebsten in den Himmel erhoben und wäre ihnen in der Luft gefolgt. Solange jedoch Zanzeroth auf der Erde blieb, musste auch er das tun. Durch den Wald zu gehen wie ein
Weitere Kostenlose Bücher