Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
wichtiger ist – es war auch eine Art Rebellion gegen dich.«
»Gegen mich? Wieso?«
»Du hast verhindert, dass sich die Technologie der Atlanter unter den Menschen verbreiten kann. Ich dachte, Vendevorex würde solche Bedenken nicht haben. Deshalb habe ich ihm das Wissen mit auf den Weg gegeben, wie man weitere Flaschengeister herstellt. Ich dachte, er würde letzten Endes die Technologie verbreiten und so irgendwann die Mauer überwinden, die du um diese Insel errichtet hast.«
»Schlau«, sagte Jazz. »Aber er hat sich unmöglich in das atlantische Netzwerk einklinken können, um das volle Potenzial des Flaschengeists zu nutzen.«
»Vendevorex war ziemlich klug. Da er sich nicht mit einer Datenbasis verbinden konnte, um seine Naniten zu lenken, hat er sich dem Studium der Chemie und Biologie gewidmet. Sein eigener Geist sollte die Datenbasis sein.«
»Oh«, sagte Jazz. »Deshalb hat Jandra das Periodensystem auswendig gelernt und kann jeden Knochen im Körper benennen. «
»Es ist natürlich nicht so wirksam wie der atlantische Geist«, sagte Cassie. »Aber es funktioniert.«
»Du hast gesagt, dass du Mitglied in einem Komitee bist, das versucht, die Ausbreitung der Drachen zu verhindern. Wieso gibst du dann einem von ihnen ein so mächtiges Werkzeug? Es führt nur dazu, dass die Drachen noch mächtiger werden.«
Cassie sah zur Seite, aber ihr Spiegelbild war auf der Scheibe deutlich zu sehen. Der schwache Hauch eines selbstgefälligen Grinsens lag auf ihrem Gesicht.
Jazz zählte eins und eins zusammen. »Das ist nicht dein Ernst. Du hast einen Code im Flaschengeist versteckt? Und Vendevorex sollte dafür sorgen, dass es mehr davon gibt, bis sie irgendwann die kritische Masse erreichen! Dann hätten sie ihr eigenes Netzwerk gebildet, eines, das mit Atlantis kommunizieren würde, und alle Fesseln weggewischt, die ich programmiert habe. Atlantis hätte die ganze Erde in ein Paradies für die Menschheit verwandelt und die Drachen ausgelöscht – ein Umweltgift, das bei irgendeiner leichtfertigen genetischen Bastelei entstanden ist.«
Cassie hob die Brauen. »Wow. Was für eine wilde Theorie.«
Jazz sah sich in dem großen, leeren und staubfreien Zimmer um. Auf der gegenüberliegenden Seite herrschte jetzt Dunkelheit; die Sterne schimmerten wie perfekte Punkte, unbefleckt von der Atmosphäre. Sie sah den Mars und dachte an die Siedler dort, und an die gute Zeit, die sie zwei Jahrhunderte zuvor bei ihnen gehabt hatte, als sie sich in ihren Bürgerkrieg eingemischt hatte. Alle Leute, die eine Bekanntschaft wert gewesen waren, waren längst von der Erde geflohen. »Erinnerst du dich daran, wie Mama uns immer zur Kirche geschleppt hat?«
»Daran habe ich schon lange nicht mehr gedacht«, sagte Cassie.
»Ich bin kürzlich an die Fegefeuer-Predigten erinnert worden. Ich lag begraben in einer brennenden Grube, weder tot noch lebendig und beständigen Qualen ausgesetzt. Wenn es
schlecht ausgegangen wäre, hätte ich möglicherweise bis in alle Ewigkeit dort bleiben müssen. Es war reines Glück, dass ich entkommen bin. Glück und das Fehlen jeglicher moralischen Skrupel, als es darum ging, einer anderen Frau den Körper zu stehlen.«
»Klingt ziemlich mies. Bist du von deinem Weg abgekommen? «
»Nein.«
»Nein?«
»Komm, ich möchte dir etwas zeigen«, sagte Jazz. Sie öffnete die Hand. Das Chrom in ihrer Handfläche brodelte und formte sich zu einer silbernen Kugel von zweieinhalb Zoll Durchmesser. Sie rollte sie hin und her und nahm sie schließlich zwischen die Finger.
»Was ist das?«, fragte Cassie.
Jazz streckte ihr die Kugel entgegen. »Sieh dir die Inschrift genau an.«
Cassie runzelte die Stirn und beugte sich vor. Sie blinzelte. Dann nahm sie die Kugel in die Hand, hielt sie dicht vor ihr Gesicht und drehte sie langsam.
»Ich sehe aber keine In…« Sie brach mitten im Satz ab, als das Gold, das ihr Gesicht und ihre Lippen umhüllte, plötzlich zu zerbröseln begann und wie die Schale eines gekochten Eis zerfiel. Helle Haut kam darunter zum Vorschein.
Cassie ließ die Kugel fallen, die über den Boden hüpfte. Ein kleiner Mund öffnete sich, um sie zu verschlingen – und erstarrte. Ungleichmäßige, schroffe Risse liefen über die Oberfläche der Onyxbodenfliese.
»Was ist das?« Das Metall, das Cassie bisher eingehüllt hatte, fiel in kleinen Flocken von ihr ab. Ihr schwarzer Seideneinteiler verkam jetzt zu einer Schicht aus schuppigem Staub, als würde sie unter unfassbaren Mengen von
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