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Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet

Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet

Titel: Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Maxey
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und faltigen Stellen. Er hatte so ausgesehen und sich so angefühlt, als würde jemand darin leben. Aber auch dieser frische, saubere Körper hatte etwas, das ihren Geist zum Erzittern brachte. Es war der gleiche künstlerische Rausch, den sie empfand, wenn sie ein neues Blatt weißes Papier in die Hand nahm.
    Vor dem Fenster krümmte sich der ferne Horizont in einem vollkommenen Bogen. Sie standen an der Schwelle zum Weltraum. Unter ihnen erstreckte sich der blaugraue Ozean. Ganz hinten am Horizont, dort, wo das Wasser auf Land stieß, veränderte sich seine Farbe. Sie sah auf die östliche Küste dessen, was einmal die Vereinigten Staaten gewesen waren. Dieses Ufer war mit Städten übersät gewesen; jetzt war es ein wilder Ort, der Lebensraum von Drachen. Die Krönung eines langen Lebens voller Schaffenskraft.
    Jazz machte einen Satz zurück, als ein Mann am Fenster vorbeizischte. Er war nackt, und auf seiner leuchtend roten Haut befanden sich schwarze Zebrastreifen. Es sah aus, als würde er kichern, während er die vielen Meilen hinunter zur Erde stürzte.
    »Jesus«, sagte Jazz. »Er hat mich zu Tode erschreckt. Hat die Selbstmordrate in Atlantis zugenommen?«
    »Sei nicht albern«, sagte Cassie und trat zu Jazz ans Fenster. Cassie trug einen schlichten Einteiler aus reiner schwarzer Spitze, der sich eng um ihre fast flache Brust und ihre kaum
wahrnehmbaren Hüften schmiegte. Abgesehen von ihrer unnatürlichen Größe – sie war jetzt gut und gern einen Fuß größer als Jazz – wirkte sie nicht älter als zwölf. »Die Stadt lässt niemanden sterben. Die Körper dieser Leute werden zwar zerstört, wenn sie auf dem Boden aufkommen, aber sie erwachen augenblicklich wieder in einer Backup-Kopie. Der wesentliche Teil einer Person ist nichts als Information, und diese Information ist unsterblich.«
    »Ach ja«, sagte Jazz. »Ihr Atlanter wechselt die Körper häufiger als ich meine Frisur ändere. Was mich dazu bringt zu bemerken, dass du die letzten vier Male, die ich dich gesehen habe, weiblich warst. Hast du dann also diese Jungenphase aus deinem System gekillt?«
    Cassie zuckte mit den Schultern. »Der weibliche Körper hat … ästhetische Vorteile. Er passt zu einer breiteren Palette von Farben. Der männliche Körper kam mir in den helleren Farbtönen nie richtig vor.«
    Als wollte er ihre Bemerkung unterstreichen, fiel ein zweiter Mann am Fenster vorbei; er war wie ein Rodeo-Cowboy in eine mit Fransen versehene Lederweste und Cowboyhosen gekleidet, aber er hatte neonpinkfarbene Haut, die an ihm nur lächerlich aussah. Ein paar Sekunden nach ihm kam sein Hut vorbeigeflogen.
    »Wie Bungee-Springen ohne Bungee«, sagte Jazz und folgte dem Hut mit dem Blick, so weit es ihr möglich war.
    »Es gibt einem angeblich den ultimativen Adrenalin-Kick. Wenn man einen Körper leid ist und nicht vorhat, ihn noch einmal zu benutzen, wieso ihn dann nicht in einem tollen Akt loswerden? Ist längst nicht so langweilig wie einzuschlafen und als neu wach zu werden.«
    Jazz schüttelte den Kopf. »Das ist genau das, was an Atlantis nicht stimmt. Ihr habt zugelassen, dass die Stadt jede Art von
Schmerz und Furcht und Sorgen beseitigt. Ihr habt euch zu Wesen gemacht, die so übersättigt sind, dass sie sich von Gebäuden stürzen, um sich in den zehn Sekunden, die sie nach unten fallen, lebendig zu fühlen. Ihr besitzt die Gabe der Unsterblichkeit, und abgesehen von den wenigen gemäßigt zielstrebigen Leuten, die zu neuen Welten aufgebrochen sind, habt ihr anderen euch alle in gelangweilte Teenager verwandelt, die nach der nächsten Ablenkung suchen.«
    Cassie zuckte mit den Schultern. Ihre Haare strömten in einem neuen Rinnsal über ihren Hals. »Was ist denn an großen Zielen noch übrig? Es gibt keinen Hunger mehr. Keinen Tod. Keine Angst, keinen Mangel, keinen Kummer. Wie sollen wir unsere Zeit verbringen? Es gibt keine Schlachten mehr zu schlagen.«
    Eine leopardenhäutige Frau in einem Badeanzug schoss am Fenster vorbei; sie streckte die Arme pfeilförmig nach vorn und hielt die Beine vollkommen gerade. Gäbe es noch die Olympischen Spiele, wäre das eine Zehn gewesen. Aber natürlich konnte jeder Sprung, konnten alle Sprünge eine Zehn sein. Man konnte das Muskelgedächtnis, das dafür sorgte, dass man etwas perfekt ausführte, problemlos vom Atlantischen Datenstrom ausleihen. Die Atlanter konnten alles wissen, während sie buchstäblich nichts lernten.
    Cassie drückte ihre Stirn ans Fenster, während sie auf die Welt

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