Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
Höhle, hatte die Lossagung seines Stammes vom übrigen Königreich verkündet. Berichten zufolge stand Verteniel, der den Küstenstrich beaufsichtigte, zu dem auch die Pferdeinseln zählten, kurz davor, das Gleiche zu tun. Hierin hatte stets die wahre Gefahr eines unbesetzten Thrones bestanden – nicht, dass andere Sonnendrachen um das Königreich stritten, sondern dass sie sich entscheiden würden, sie wären besser dran, wenn sie ihre eigenen kleinen Machtbereiche allein und ohne die Einmischung eines Königs leiteten.
Angesichts dieser schlechten Nachrichten war Vulpinus froh, Sagen zu sehen, der gerade die Klappe zu seinem Zelt zur Seite schob.
»Kann ich mit dir sprechen?«
»Bitte komm rein«, sagte Vulpinus. Er deutete auf den Kessel. »Darf ich dir einen Becher von meinem täglichen Elixier anbieten?«
Sagen rümpfte die Nase, als er die ölige Flüssigkeit sah.
»Ich verspreche dir, es wird dir guttun«, sagte Vulpinus.
»Ich kann später frühstücken. Ich bin gerade erst mit Neuigkeiten geweckt worden. Sie scheinen mir wichtig genug zu sein, um mich sofort mit dir zu besprechen. Es hat … Aktivitäten in
Drachenschmiede gegeben«, sagte Sagen und klang zögernd, was seine Wortwahl betraf.
»Also haben sie sich nach dem Hagel von gestern gezeigt?«
Die Haut um Sagens Augen zog sich zusammen, als würde er noch überlegen, wie er den nächsten Satz formulieren sollte. »Es hat Berichte gegeben, dass die Blockade überwunden wurde.«
Vulpinus seufzte. »Lass mich raten. Die Erddrachen haben so viel Goom getrunken, dass sie auf ihren Posten eingeschlafen sind und weitere Flüchtlinge in die Festung gelangt sind.«
»Nein«, sagte Sagen. »Die Blockade wurde von der Luft aus überwunden. Durch Engel.«
Vulpinus legte den Kopf schief; er war sich nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. »Engel«, sagte er ruhig. »Menschen mit Flügeln.«
Sagen nickte. »Und ein Schwein.«
»Ein Schwein?«
»Jawohl.«
»Mit Flügeln?«
»Jawohl.«
Vulpinus schloss die Augen und rieb sich mit der Vorderklaue über die Stirn. Seine Schuppen fühlten sich an diesem Morgen besonders trocken an. Sagen, ein Produkt seiner Blutlinie, sollte zu den geistig gesündesten und intelligentesten Drachen gehören, die jemals über die Erde geflogen waren. Er war sicher, dass sein Sohn nicht den Verstand verloren hatte. Also Engel. Und wieso auch nicht? Er hatte nie daran geglaubt, dass es sie gab, aber in der Ballade von Belpantheron war von ihnen die Rede, und es hieß, während der jüngsten Übeltaten von Blasphet wäre ein Engel dem Nest zu Hilfe gekommen. Vielleicht hielt sich dieser Engel ja noch in der Gegend auf, zusammen mit ein oder zwei Freunden.
»Wie viele?«, fragte er und öffnete die Augen.
»Zusammen mit dem Schwein?«
»Warum nicht?«
»Sechs. Das Schwein, eine Frau und vier Männer, vom kleinen Jungen bis zum verhutzelten alten Mann.«
Vulpinus trank einen Schluck von dem heißen Elixier. Er badete einen Moment seine Zunge darin, behielt die Hitze ein paar zusätzliche Augenblicke im Mund, um davon sein Hirn wärmen zu lassen.
»Wer hat es gesehen?«
»Arifiel.«
»Ah«, sagte Vulpinus. Er mochte das Weibchen nicht besonders, aber Arifiel neigte weder zur Übertreibung noch Einbildung.
»Ihre Behauptung ist durch zwanzig Erddrachen bestätigt worden, obwohl ich nicht sicher bin, wieviel Glaubwürdigkeit wir denen aufgrund ihrer Sehschwäche zubilligen können.«
»Arifiels Wort genügt«, sagte Vulpinus. »Es ist eine seltsame Entwicklung, das gebe ich zu, aber wir werden damit zurechtkommen. Ich bin genügend mit der menschlichen Mythologie vertraut, um zu wissen, dass die Menschen Engel mit Tod in Zusammenhang bringen. Vielleicht überbringen sie die Botschaft, dass das Ende bevorsteht.«
»Steht das Ende denn bevor?«, fragte Sagen. »Einige Wachen haben in letzter Zeit ein Nachlassen der Betriebsamkeit in der Festung bemerkt. Die Mauern sind so gut wie unbewacht. Wir könnten innerhalb von Minuten in der Stadtmitte sein. Wieso zögern wir?«
Vulpinus wollte die neuen Bogen und die Gewehre als vernünftige Gründe anführen, aber er hielt den Mund. Er sah auf das Schreiben, das vor ihm lag. Hatte er die Gefahren falsch eingeschätzt? Er hatte gedacht, er würde verhindern, dass sich
das Chaos weiter ausbreitete, indem er Drachenschmiede mit einer Krankheit ansteckte. Aber wenn nun seine Konzentration auf ein paar Quadratmeilen Erde innerhalb der umzingelten Mauern bedeutete, dass er die
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