Die Herrschaft der Orks
hören. »Dort, wo ich herkomme, bin ich ein König!«
»Das stimmt«, pflichtete Dag bei. »Und er und sein Bruder sind Helden der Geschichte Erdwelts! Ihnen zu Ehren wurde das Denkmal vor dem Palast von Tirgaslan errichtet!«
Osbert sah seinem Sohn direkt ins Gesicht – und es war nicht zu übersehen, dass er an dessen Verstand zweifelte. »Sonst noch etwas?«, wollte er wissen.
»Und sie haben mir das Leben gerettet«, fügte Dag hinzu. »Du schuldest Rammar also etwas.«
Osbert schloss die Augen und atmete mehrmals geräuschvoll ein und aus. Er schien kurz davor, vollständig die Fassung zu verlieren. Sein breiter Brustkorb bebte unter dem Kettenhemd, seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Also nehmen wir an, das, was mein Sohn behauptet, sei die Wahrheit«, sagte er schließlich, »was willst du, Unhold? Gold?«
»Gold wäre nicht schlecht«, gab Rammar zu, »aber noch lieber wäre es mir, wenn du endlich den beul halten und mir zuhören würdest. Ich könnte schon längst mit allem fertig und auf dem Weg nach Hause sein. Also kommen wir endlich zur Sache.«
»Zu welcher Sache?«
»Du weißt, warum der König von Tirgaslan dich angreift?«
»Weil er denkt, ich hätte seine Tochter«, schnaubte Osbert.
»Und?«
»Und was?«
»Hast du sie?«
»Natürlich nicht!«
»Falsch«, verbesserte Rammar. »Balbok?«
In diesem Moment trat auch Balbok hinter dem Vorhang hervor – und bei ihm war Aryanwen.
»Wa-was hat das zu bedeuten?«, fragte Osbert entgeistert. »Was macht dieses Mädchen hier?«
»Vater«, stellte Dag vor, »dies ist Prinzessin Aryanwen, die Tochter König Tandelors von Tirgaslan.«
»Ich weiß, wer das ist, Sohn.« Einen Augenblick lang stand der Herzog wie vom Donner gerührt. Mit offenem Mund und leerem Blick suchte er sich auf all das einen Reim zu machen. Dann, plötzlich, hellten sich seine bärtigen Züge auf. »Sollte es wahr sein?«, fragte er Dag. »Solltest du tatsächlich einmal in deinem Leben etwas richtig gemacht haben?«
Dag lächelte schwach. »Wobei die Ehre nicht mir gebührt, sondern Balbok und Rammar. Wären sie nicht gewesen, hätten Aryanwen und ich …«
»Meine Anerkennung«, fiel Osbert ihm ins Wort. »Das gibt uns das Druckmittel in die Hand, das wir brauchen. Wenn Tandelor nicht abzieht, werde ich seine Tochter von der obersten Zinne werfen lassen.«
»Und damit beweisen, dass du genauso brutal und ruchlos bist, wie er sich einbildet«, hielt Dag dagegen. »Was ist mit der Ehre, von der du eben noch gesprochen hast?«
»Davon verstehst du nichts, Junge. Hier geht es um das Überleben unseres Volkes. Wachen!«, rief er. »Ergreift die Prinzessin!«
»Nein!«, rief Dag entschieden und griff nach seinem Schwert, während er sich gleichzeitig vor Aryanwen stellte. »Aryanwen steht unter meinem persönlichen Schutz!«
»Was ist das für ein Theater?«, fragte Osbert fassungslos. »Was soll das nun wieder heißen?«
» Umbal , begreifst du denn gar nichts?«, fragte Rammar. »Du bist ja noch begriffsstutziger als mein Bruder, und das will schon etwas heißen.«
»Korr« , stimmte Balbok zu.
»Aryanwen und ich gehören zusammen. Wir lieben einander«, erklärte Dag, der einen Arm um die Prinzessin gelegt hatte. Die andere Hand hatte er nach wie vor am Griff des Schwertes.
Osbert prustete wie jemand, der sich den Mund verbrannt hatte. »Du und die Tochter meines größten Feindes? Was ist das für ein Unsinn?«
»Kein Unsinn, sondern die Wahrheit«, versicherte Aryanwen, die höflich das Haupt neigte.
»Aber wie …? Wann …?«
»All das zu erklären, würde zu lange dauern«, wandte die Prinzessin ein. »Wichtig ist im Augenblick nur, dass mein Vater auf dem Weg hierher ist, weil er denkt, dass Ihr mich entführt hättet!«
»Aber das ist nicht wahr!« Osbert stampfte mit dem Fuß auf.
»So wenig wahr wie die Behauptung, dass mein Vater die Schuld am Tod Eures Vaters Herzog Valeran trage«, ergänzte Aryanwen, worauf Osbert merklich zusammenzuckte.
»Wir wissen natürlich, dass du das Mädchen nicht entführt hast, wirrer Herzog«, versicherte Rammar. »Aber Tandelor weiß es nicht. Und es ist nun mal nicht zu leugnen, dass sie hier ist, oder?«
»Nein«, gab der Herzog zu.
»Du hast also zwei Möglichkeiten«, fasste Rammar zusammen. »Entweder, du beißt die Zähne zusammen wie ein Krieger und trägst den Kampf mit Tandelor aus, auch wenn du eigentlich unschuldig bist – oder du lässt das Mädchen das Missverständnis aus der Welt räumen
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