Die Herrschaft der Orks
ziehen.
Es gab keine Rede zur Schlacht.
Keine ermutigenden Worte.
Keine Losung, die ausgegeben wurde.
Der König hatte genug damit zu tun, auf dem Rücken seines Pferdes zu bleiben, das einer der Leibwächter am Zaumzeug nahm und führte.
Die Reihen der Unterführer teilten sich, als ihr König den Vorplatz verließ. Einige beugten die Knie, andere nur das Haupt, wieder andere blieben stehen und starrten wie versteinert auf ihren Herrscher, der mehr tot zu sein schien als lebendig und dennoch an seinem Vorhaben festhielt.
Für einen Moment lag Widerspruch greifbar in der Luft, womöglich sogar eine Revolte.
Savaric und Ruvon sahen einander an.
Mit einer Spur von jäher Hoffnung – vor allem aber mit gegenseitigem Argwohn.
Wer von beiden sollte zuerst das Wort ergreifen? Wer den Burgfrieden offen brechen, wer sich als Gegner des Königs zu erkennen geben? Von diesem Moment an, das war beiden klar, gab es kein Zurück mehr – mit allen Risiken, die damit verbunden waren.
Konnte sich der eine auf die Rückendeckung des anderen verlassen? Oder würde, wenn es so weit war, jeder nur an sich selbst denken, an das eigene Überleben?
Savaric überlegte noch, als der Augenblick bereits verstrichen war. Der Aufstand, der eben noch greifbar in der Luft gelegen hatte, hatte sich aufgelöst wie der Morgennnebel in den Senken, und umgeben von seinen Leibwächtern hatte der König den Vorplatz verlassen, um seinen Posten auf der Hügelkuppe einzunehmen, von der aus sich das gesamte Flusstal überschauen ließ.
Auch Savaric und Ruvon bestiegen ihre Pferde, die die Knappen heranführten – Savaric sein stolzes, von einer schwarzen Schabracke bedecktes Schlachtross, Ruvon eines der kleineren, wendigen Pferde, wie sie in den Steppen des Südostens gezüchtet wurden. Auf der Anhöhe, die zum Feldherrenhügel erkoren worden war, schlossen sie zu Tandelor auf, der sich leichenblass, jedoch mit eisernem Willen im Sattel hielt und auf die Senke blickte, die sich zu seinen Füßen erstreckte.
Auch Savaric blickte talwärts – und damit auf das ganze Ausmaß des Wahnsinns.
Auf dem Hügelgrat, dort, wo das weite, von Gras bedeckte Gelände zum Fluss hin abfiel, hatte die Streitmacht von Tirgaslan Aufstellung genommen. Den weitaus größten Teil der fünftausend Streiter stellte das Fußvolk dar – Zwangsverpflichtete aus der Stadt und dem Umland, dazu die Ork-Söldner, die die Speerspitze des Angriffs bilden und, zu kleinen Horden formiert, in vorderster Reihe stürmen würden. Ihnen folgten die Soldaten der Stadtwache sowie die Bogenschützen, die den Vormarsch durch Schwärme von Pfeilen unterstützen sollten. An den Flanken jeweils wartete die Reiterei – die Lehnsherren und ihre Ritter, von denen die wenigsten kampferprobt waren geschweige denn kriegserfahren.
Es war bei Weitem nicht die größte Armee, die jemals von Tirgaslan aus in Marsch gesetzt worden war, aber soweit es Tandelor betraf, war es die letzte Armee.
Die letzte, die er hatte formieren können.
Die letzte, die er befehligen würde.
Auf der anderen Seite des Flusses lag Andaril. Einst war die Hauptstadt von Ansun vom Eisfluss durchzogen worden, doch nach der Loslösung vom Reich hatten die Bewohner es vorgezogen, den diesseits liegenden Teil der Stadt zu verlassen. Die Mauern waren geschleift und die Gebäude eingerissen worden, von Moos und Gras überwucherte Ruinen waren als einzige Zeugen geblieben. Der Großteil des abgetragenen Gesteins jedoch war dazu benutzt worden, jenseits des Flusses ein Bollwerk zu errichten, wie es in Erdwelt seinesgleichen suchte, eine mächtige, von Türmen gesäumte Mauer, die den Eingang zum Herzogtum Ansun bildete und hinter der sich die Häuser und Türme des neuen Andaril ballten. Und wie zu erkennen war, hatten Herzog Osbert und seine Leute genug Zeit gehabt, sich auf den Angriff vorzubereiten.
Sämtliche Mauern und Türme waren besetzt, das Mauerwerk an vielen Stellen durch überdachte und mit nassen Tierhäuten bespannte Hurden verstärkt worden, die dem Beschuss durch Brandpfeile trotzen sollten. Ganz offenbar hatten sich die Einwohner der Stadt auf eine Belagerung eingerichtet – anders als Tandelor, der weder über Katapulte noch andere Geschütze verfügte, sondern lediglich über eine gewisse Anzahl von Sturmleitern, die die Soldaten im Verlauf der letzten beiden Tage gezimmert hatten. Bevor sie jedoch dazu kommen würden, diese anzulegen, mussten die Kämpfer Tirgaslans zuerst den Fluss durchqueren, und
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