Die Herrschaft der Orks
Westen heranführen und bei der alten Furt übersetzen lassen«, schlug Savaric deshalb vor. »Auf diese Weise könnten wir Andaril von zwei Seiten gleichzeitig angreifen, und Osberts Schicksal wäre besiegelt.«
»Ein schöner Plan.« Der König lächelte schwach. »Allerdings können wir im Westen keine weiteren Truppen mehr entbehren, wie Ihr wisst. Zudem würde Osbert die Zeit nutzen und seine Verteidigungsanlagen noch verstärken – was also wäre gewonnen?«
»Dann wartet wenigstens noch ab, bis Ihr wieder genesen seid, mein König! Ich kann und will nicht zulassen, dass Ihr so in die Schlacht reitet – das wäre Euer Tod!«
Tandelor lachte heiser auf. »Seht mich an«, flüsterte er. »Nichts kann mich noch vor dem Ende bewahren. Dennoch werde ich diesen Angriff anführen, für Tirgaslan und für Aryanwen. Sollte es mir nicht mehr vergönnt sein, meine Tochter zu sehen, so versichert ihr, wie sehr ich sie geliebt habe – und wie sehr ich bedaure, nicht auf sie gehört zu haben. Wollt Ihr das für mich tun, meine Freunde?«
Savaric und Ruvon sahen einander erneut an.
»Ja, mein König.«
»Ich muss meine Kämpfer in dieser Schlacht anführen«, verkündete Tandelor und wollte sich von seinem Lager erheben. Als es ihm nicht sofort gelang, traten zwei Diener hinzu, die ihn stützten. »Schwört mir, dass Ihr alles tun werdet, was dazu nötig ist – und wenn Ihr meinen Leichnam auf das Schlachtross binden müsst, habt Ihr mich verstanden?«
»Mein König, ich …«
»Habt Ihr verstanden?« Die letzten Worte klangen nicht wie die eines Todkranken, sondern ließen noch einmal die einstige Macht und Entschlusskraft erahnen, sodass Savaric sich genötigt sah, den Blick zu senken und zustimmend zu nicken.
»Ja, mein König.«
Tandelor sank wieder in sich zusammen. »Dann bringt mich jetzt zu meinem Pferd. Ich habe eine Schlacht zu schlagen.«
Die Diener führten ihn hinaus, eskortiert von der Leibwache. Auch die beiden Landgrafen folgten, und Savaric entging nicht der vorwurfsvolle Blick, mit dem der Südländer ihn bedachte.
So war es nicht geplant gewesen, ganz sicher nicht.
Das Gift hatte langsam wirken sollen, sodass kein Verdacht auf jene fiel, die es verabreicht hatten – aber wiederum nicht so langsam, dass Tandelor noch dazu kam, seine wahnsinnigen Absichten in die Tat umzusetzen. Wäre alles nach Plan gelaufen, hätten sie die Grenze erst gar nicht erreicht und es wäre niemals zu dieser Konfrontation gekommen. So jedoch hatten die Ereignisse ihren Lauf genommen, und Savaric und seinen Mitverschwörern war nichts anderes übrig geblieben, als mit den Wölfen zu heulen, wenn sie sich nicht verdächtig machen wollten. Es war der Preis des Geheimnisses, das sie miteinander teilten …
»Wo ist Lavan?«, verlangte Savaric halblaut zu wissen.
»Noch immer nicht zurück. Wir sollten uns mit dem Gedanken anfreunden, dass er nicht zurückkehren wird. Womöglich ist er unterwegs in einen Hinterhalt der Zwerge geraten.«
»Mehr als bedauerlich«, sagte Savaric nur, dann traten sie unter dem Baldachin des Vorzelts hindurch nach draußen.
Es war noch früh am Morgen, der neue Tag nur eine Ahnung, die fern im Osten heraufdämmerte. Fahles Zwielicht beleuchtete die Hügel und die sich verfärbenden Bäume. Raureif überzog den Boden, und von den Mündern der Männer, die sich um den Vorplatz des Zeltes geschart hatten, stieg weißer Dampf auf. Die meisten von ihnen gehörten der königlichen Leibgarde an, auch einige Lehnsherren und Unterführer aus Tirgaslan waren darunter – und in jedem einzelnen ihrer Gesichter konnte Savaric die Betroffenheit sehen, als sie ihren König erblickten.
Die Aussicht, zur Grenze zu reiten und sich mit Ansun eine blutige Schlacht zu liefern, hatte den meisten missfallen. Gehorcht hatten sie dennoch in der Hoffnung auf Ruhm und Beute oder auch nur, weil ihr König es von ihnen verlangte. Als sie Tandelor nun jedoch sahen, wurde ihnen klar, dass sie diese Schlacht nicht würden für sich entscheiden können. Bleich und geschwächt, wie er war, stellte der Herrscher von Tirgaslan die personifizierte Niederlage dar.
Beklommen sahen sie zu, wie seine Diener ihm auf das schneeweiße Pferd halfen, auf dessen Rücken er sich nur mit Mühe halten konnte. Einmal sah es so aus, als würde er Übergewicht bekommen und aus dem Sattel kippen, und Savaric schöpfte bereits Hoffnung – doch noch einmal gelang es Tandelor, sich im Sattel zu behaupten und sogar sein Schwert zu
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