Die Herrschaft der Orks
östlich der Stadtmauern auf einem Hügel lag, hatten sie eine behelfsmäßige Werkstatt eingerichtet und alles Gesinde mitgenommen, das entbehrt werden konnte; und während in der Burg und auf den Mauern der Stadt Vorbereitungen zur Verteidigung getroffen wurden, hatte der Sohn des Herzogs die vergangenen acht Tage auf – wie sein Vater es ausgedrückt hätte – eines seiner Hirngespinste verwendet.
»Eins verstehe ich nicht«, meinte Balbok. »Wenn du so schlau bist, dass du ein fliegendes Schiff erfinden kannst, wieso ist dein Vater dann nicht stolz auf dich?«
»Weil mein Vater nicht an Dinge wie diese glaubt«, entgegnete Dag mit einem gequälten Lächeln.
»Aber er sieht doch, dass das Schiff tatsächlich fliegt!«
»Ich will damit sagen, dass mein Vater nichts auf den Fortschritt gibt«, erklärte Dag. »Er steht für die alten Werte. Für eine Zeit, in der die eigene Sippe alles zählte, in der es Blutrache gab und in der mit dem Schwert in der Hand regiert wurde.«
»Dein Vater würde einen guten Ork abgeben«, knurrte Rammar.
»Wir leben in einer neuen Zeit«, erklärte Dag, »und diese Zeit stellt neue Anforderungen. Wenn wir uns weiter nur an das halten, was uns von unseren Vorfahren überliefert wurde, werden wir diesen Krieg nicht überleben. Die Zukunft gehört denen, die in der Lage sind, sich zu verändern.«
»Sich zu verändern«, äffte Rammar nach. »Wenn ich das schon höre! Sieh uns an! Balbok und ich stammen nicht aus eurer seltsamen Zeit, und wir haben uns auch nicht angepasst, sondern sind so, wie wir es immer waren. Hast du den Eindruck, dass wir dadurch irgendwelche Nachteile erleiden?«
»Kaum«, wehrte Aryanwen lächelnd ab. »Ihr wurdet nur von Zwergen gefangen, zu Zwangsarbeit verurteilt, giftigen Dämpfen ausgesetzt und wärt um ein Haar ertrunken, von Wargen aufgespürt und von Kaldronen erschlagen worden. Habe ich etwas vergessen?«
»Dass wir auf eine zickige Prinzessin gestoßen sind, hast du ausgelassen«, hielt Rammar schnippisch dagegen.
»Ein wenig Bereitschaft, euch auf die neue Welt einzulassen, hätte euch manches Ungemach ersparen können«, war Aryanwen überzeugt.
»Ich will dir was sagen, Mädchen: Mein Bruder und ich haben schon gegen Dunkelelfen, Eisbarbaren, Gnomen und anderes Gesocks gekämpft, als du noch nicht mal eine ferne Ahnung gewesen bist. Kann sein, dass die Welt zu unserer Zeit weniger kompliziert war, aber ganz sicher war sie nicht weniger gefährlich. Und wer damals überlebt hat, der überlebt auch heute.«
»Jetzt klingst du fast wie mein Vater«, meinte Dag. »Der will auch nichts davon wissen, dass sich die Zeiten ändern, dabei ist es offensichtlich. Die Zeit der Schwertkämpfer geht zu Ende, ein guter Herrscher muss heute in der Kriegsführung ebenso bewandert sein wie in der Wissenschaft. Ich weiß, dass wir uns gegen einen Tyrannen vom Schlage Winmars verteidigen müssen. Aber wenn ihr mich fragt, was mein Traum ist, so denke ich an eine Welt, in der alle Völker Erdwelts miteinander in Frieden leben und in der Schiffe wie dieses« – er deutete auf die riesige schlaffe Hülle, die am Boden lag –, »die Städte miteinander verbinden.«
»Das klingt großartig«, sagte Aryanwen.
»Shnorsh« , widersprach Rammar. »Du bist ein Träumer, da hat der grimmige Herzog recht. Die meisten Menschen eurer Zeit wissen ja nicht, was Krieg ist, wie sollen sie da begreifen, was Frieden ist?«
»Wir werden das ändern«, war Dag überzeugt.
»Korr« , stimmte Rammar mit einem hintergründigen Grinsen zu, »das werden wir. Und wie wir das werden.«
»Am liebsten würde ich das Luftschiff selbst steuern«, meinte Dag, der sich wieder darangemacht hatte, den Harz über die Nähte zu streichen, während Balbok ihm den Topf hinhielt, der die zähe Flüssigkeit enthielt.
»Douk« , erstickte Rammar diesen Gedanken gleich im Keim, »du beibst du bei deinem Mädchen, damit es keinen Unsinn macht. Balbok und ich kriegen das schon hin. Nicht wahr, umbal ?«
»Wenn du meinst.« Der hagere Ork hatte sichtliche Zweifel.
»Notfalls werden wir eben etwas Ballast abwerfen«, feixte Rammar augenzwinkernd.
» Korr … und warum siehst du mich dabei an?«
Alle lachten, und für einen Augenblick, in dem helles Sonnenlicht auf die Lichtung fiel, schienen der Krieg gegen Tirgaslan und die Bedrohung durch die Zwerge weit weg zu sein.
»Ich bin froh«, sagte Aryanwen unvermittelt. »Darüber, dass ihr hier seid. Dass euch das Schicksal zu uns geführt
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