Die Herrschaft der Orks
desto trostloser wurde es. Die Gehöfte, die sie passierten, waren nicht nur verlassen, sondern nicht selten bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Und anders als im Süden hatte man offenbar nicht mehr die Zeit gefunden, die Toten beizusetzen. Allenthalben sah man die verwesenden Körper von Menschen liegen, die unter den Klingen ihrer Peiniger ein grausames Ende gefunden hatten; auch die Kadaver gefallener Orks waren darunter – und nicht bei einem von ihnen saß der Kopf noch auf den Schultern.
Der Anblick drückte auf Rammars Gemüt, und er war fast erleichtert, als sich der Tag dem Ende zu neigte und sich Nebelschwaden bildeten, die sich wie ein Leichentuch über die Szenerie breiteten und zumindest das sichtbare Grauen bedeckten. Den Gestank des Todes jedoch, der über den Äckern und zerstörten Gehöften lag, vermochte auch der Nebel nicht einzudämmen.
Keiner der drei Gefährten verspürte ein Verlangen danach, auf freiem Feld zu kampieren, und so schlugen sie bei Einbruch der Dunkelheit den Weg zu einem Dorf ein, das sich auf einem flachen Hügelrücken erhob und das sie ebenfalls menschenleer wähnten. Erst als sie näher herangekommen waren, stellten sie fest, dass sie sich geirrt hatten.
Auch wenn kein Licht zu sehen war, kein Widerschein von Feuer und keine Rauchsäule, die in den sich aschgrau verfärbenden Himmel stieg, so schien das Dorf dennoch bewohnt zu sein. Stimmen waren zu hören, ein undeutliches Gemurmel, das zwischen den schäbigen strohgedeckten Häusern hindurchklang, die so wirr und ungeordnet über den ansonsten kahlen Hügel verteilt waren wie die Borsten am Hintern eines Trolls.
Längst hatten die Gefährten ihre Waffen gezückt. In gebückter Haltung, die Nebelschwaden und das Zwielicht der Dämmerung nutzend, huschten sie an das nächstgelegene Gebäude heran, dessen Läden und Türen fest verschlossen waren.
Sie hatten die Hütte gerade erreicht und pressten sich an die bucklige Wand aus getrocknetem Lehm, als ein durchdringender Schrei erklang.
»Shnorsh« , stieß Rammar hervor. »Was war das?«
Dag antwortete nicht – er hatte seinen Packsack abgelegt und war bereits dabei, geduckt zum nächsten Gebäude zu huschen. Das Stimmengewirr, das zuvor noch dumpf zu hören gewesen war, war inzwischen verstummt.
Dafür folgte ein zweiter Schrei.
Und noch einer.
Gefolgt von rauem, grunzendem Gelächter.
Orks.
Und nicht irgendwelche …
Rammar und Balbok wechselten einen Blick.
»Shnorsh« , sagte Rammar noch einmal und ließ den Sack mit dem Provant einfach fallen.
»Korr« , stimmte Balbok zu und tat es ihm gleich.
Dann schlichen auch sie vorsichtig weiter, Dag hinterher, der sich bereits an die Wand des nächsten Hauses schmiegte und sichtlich betroffen auf den Dorfplatz spähte, um den sich die gedrungenen Gebäude scharten. Wieder war grelles Geschrei zu hören, aber anders als zuvor konnten die Brüder jetzt sehen, aus wessen Kehle das erbärmliche Gejammer stammte.
Es war eine Menschenfrau, die ein zerlumptes graues Kleid trug und die an ihren Haaren umhergezerrt wurde – von einem kräftigen Ork, dessen nackter muskelstrotzender Oberkörper mit Tätowierungen übersät war. Die meisten davon waren obszön, gemein oder einfach nur grausam. Eine jedoch, die an seinem pfeilerdicken Oberarm prangte, zeigte das Wappen von Tirgaslan, was ihn als Söldner der königlichen Armee auswies. Das Furchterregendste an dem Kerl jedoch war die dunkelrote Kappe, die er trug und die auch die obere Hälfte seines Gesichts bedeckte. Durch die Sehschlitze starrte ein blutrünstig loderndes Augenpaar, der Mund mit den Hauern war halb geöffnet, stinkender Atem drang daraus hervor und schlug sich in der Abendluft nieder.
Der Kerl war nicht allein.
Im Halbdunkel, das über dem Dorfplatz lag und sich zusehends zu schwarzer Nacht verdichtete, tummelten sich noch vier weitere Gestalten, von denen jede einzelne mindestens ebenso massig und abstoßend war wie der erste Ork und ebenso furchterregend maskiert. Durch die Sehschlitze ihrer Kappen glotzten die Kerle begierig auf die Frau, die sich im Griff ihres Häschers wand und sich seiner Klaue zu entwinden suchte – vergeblich. Wie ein Spielzeug hing sie im Griff des Unholds, der ihren dunklen schmutzstarrenden Haarschopf gepackt hatte und sie daran nach Belieben umherzerrte, was seine Artgenossen mit Gelächter belohnten.
Noch weiter im Hintergrund, vor den grauen, immer mehr in Dunkelheit versinkenden Hausfassaden kaum mehr
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