Die Herrschaft Der Seanchane
Sul'dam einzuschläfern, zog man jedoch in Betracht, was Tessi gewesen war, dann war es doch sehr wahrscheinlich, dass sie eine Flucht plante.
Draußen im Korridor notierte Bethamin den dringenden Vorschlag, Tessis Ausbildung zusammen mit ihren Bestrafungen zu verdoppeln und sie nur sporadisch zu belohnen, sodass sie sich niemals sicher sein konnte, dass selbst Perfektion niemals mehr als ein Kopftätscheln ergab. Es war eine raue Methode, die sie normalerweise vermied, aber aus irgendeinem Grund verwandelte sie die störrischste Marath'damane in bemerkenswert kurzer Zeit in eine fügsame Damane. Und eine lammfromme Damane. Sie brach die Persönlichkeit einer Damane nur ungern, aber Tessi musste für das A'dam gebrochen werden, damit sie die Vergangenheit vergessen konnte. Am Ende würde sie viel glücklicher sein.
Bethamin war früher fertig als Renna und wartete am Fuß der Treppe, bis die andere Sul'dam herunterkam. »Bringt dies zu Essonde, wenn Ihr mit Eurem Bericht fertig seid«, sagte sie und hielt Renna ihr Schreibbrett entgegen, bevor sie die letzte Stufe hinuntergestiegen war. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, akzeptierte Renna die neue Aufgabe so demütig wie zuvor die anderen Befehle und eilte los; sie betrachtete das zweite Schreibbrett, als würde sie sich fragen, ob dort auch ein Bericht über sie geschrieben stand. Nach Falrne war sie eine andere Frau geworden.
Nachdem sich Bethamin ihren Umhang geholt und den Palast verlassen hatte, wollte sie zu dem Gasthaus, in dem sie sich mit zwei anderen Sul'dam gezwungenermaßen ein Bett teilen musste, aber nur lange genug, um ein paar Münzen aus ihrer abschließbaren Truhe zu holen. Die Inspektion war heute ihre einzige Pflicht gewesen und der Rest des Tages gehörte ihr. Statt sich zusätzliche Aufgaben aufzubürden, würde sie ihn ausnahmsweise dazu nutzen, Andenken zu kaufen. Vielleicht einen dieser Dolche, den die Einheimischen am Hals trugen, vorausgesetzt, sie konnte einen ohne Juwelen finden, die hier am Griff so beliebt waren. Und natürlich Lackarbeiten; die waren hier so gut wie im Kaiserreich und die Muster waren so... fremdartig. Einkaufen würde beruhigend sein. Sie brauchte das.
Die Pflastersteine des Mol Hara glänzten noch immer feucht vom Morgenregen und die Luft war von einem angenehmen Salzgeruch erfüllt, der sie an ihr Heimatdorf am See von L'Heye erinnerte, wo sie zur Welt gekommen war, auch wenn die schneidende Kälte sie den Umhang enger um ihren Körper ziehen ließ. In Abunai war es niemals so kalt gewesen, und sie hatte sich nie daran gewöhnen können, ganz egal, wie weit gereist sie war. Aber die Erinnerungen an Zuhause boten keinen Trost. Während sie sich ihren Weg durch die überfüllten Straßen bahnte, drängten sich die Gedanken an Renna und Seta so sehr in den Vordergrund, dass sie andere Leute anrempelte und beinahe vor den Wagenzug eines Händlers gelaufen wäre, der die Stadt verließ. Ein Ruf der Kutscherin drang zu ihr durch und sie sprang gerade rioch rechtzeitig zurück. Der Wagen polterte genau dort, wo sie eben gestanden hatte, über das Straßenpflaster, und die Frau auf dem Kutschbock, die die Peitsche schwang, hatte keinen Blick für sie übrig. Diese Fremden hatten keine Vorstellung davon, welcher Respekt einer Sul'dam zustand.
Renna und Seta. Jeder, der in Falme dabei gewesen war, trug Erinnerungen in sich, die er vergessen wollte, Erinnerungen, über die sie nicht sprachen, es sei denn, sie hatten zu viel getrunken. Sie hatte auch welche, aber bei ihr ging es nicht um das Grauen, gegen vage bekannte Geister aus den Legenden zu kämpfen oder die Bestürzung der Niederlage oder Visionen des Wahnsinns am Himmel. Wie oft hatte sie sich gewünscht, an diesem Tag nicht nach oben gegangen zu sein? Wenn sie sich doch nur nicht gefragt hätte, wie es Tuli ging, der Domäne mit den wunderbaren Fertigkeiten in der Metallverarbeitung. Aber sie hatte in Tulis Zwinger hineingeschaut. Und gesehen, wie Renna und Seta verzweifelt versucht hatten, die A'dam von ihren Hälsen zu entfernen; sie hatten auf den Knien vor Schmerzen geschrien, und die Übelkeit hatte sie schwanken lassen, während sie an den Kragen herumrissen. Erbrochenes beschmutzte die Vorderseiten ihrer Gewänder. In ihrer wilden Panik hatten sie nicht gesehen, wie sie entsetzt zurückwich.
Nicht wegen des schrecklichen Anblicks, zwei Sul'dam als Marath'damane entlarvt zu sehen, sondern wegen des plötzlichen Grauens, das in ihr emporstieg. Sie
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