Die Herrschaft Der Seanchane
entschlossen. Gleich würden sie ihr erneut befehlen, sich endlich aus dem Staub zu machen. »Nun, wir können hier nicht rumstehen, wenn wir uns unterhalten wollen, nicht wahr, Aviendha?«
»Nein«, sagte die Aiel angespannt und starrte die Gardistinnen finster an. »Wir können hier nicht rumstehen.«
Die Leibwächterinnen nahmen keine Notiz von ihnen, als sie gingen. Sie hatten einen Auftrag zu erledigen, und es ging nicht darum, Elaynes Freundinnen nachzusehen. Min hoffte, dass sie ihre Arbeit gut erledigten. Sie ist überhaupt nicht dumm, dachte sie. Sie lässt nur manchmal zu, dass ihr Mut den Weg vorgibt. Hoffentlich würden sie Elayne nicht in ein Dornengestrüpp gehen lassen, aus dem sie nicht wieder herausgelangte.
Auf dem Weg durch den Korridor musterte sie die Aielfrau verstohlen. Aviendha ging so weit von ihr entfernt, wie das im selben Gang möglich war. Sie sah nicht einmal in Mins Richtung, sondern zog ein reich verziertes Elfenbeinarmband aus der Gürteltasche und schob es mit einem selbstzufriedenen Lächeln über die linke Hand. Sie hatte von Anfang an die Nase gerümpft. Min verstand es einfach nicht. Angeblich waren es die Aiel gewohnt, sich einen Mann zu teilen. Jedenfalls eher, als sie es war. Sie liebte ihn so sehr, dass sie bereit war, ihn zu teilen, und wenn sie es schon musste, gab es auf der ganzen Welt keine Person, mit der sie ihn lieber geteilt hätte als mit Elayne. Bei ihr war es fast so, als würden sie ihn überhaupt nicht teilen. Aber diese Aielfrau war eine Fremde. Elayne hatte gesagt, es sei wichtig, dass sie einander kennen lernten, aber wie sollte das gehen, wenn die Frau nicht mit ihr reden wollte?
Allerdings verschwendete sie nicht viel Zeit damit, sich Sorgen um Elayne oder Aviendha zu machen. Dafür war das, was sich in ihrem Kopf abspielte, viel zu wunderbar. Rand. Eine kleine Kugel, die ihr alles über ihn verriet. Sie war davon überzeugt gewesen, dass die Sache nicht klappen würde, zumindest nicht bei ihr. Wie würde es wohl sein, wenn sie sich das nächste Mal liebten, wenn sie alles erfuhr! Licht! Natürlich würde er auch alles über sie wissen. Sie konnte nicht sagen, was sie davon halten sollte!
Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass das Bündel aus Gefühlen und Sinnesempfindungen nicht länger so war wie zuvor. Nun hatte es etwas... Animalisches an sich... so wie ein Buschfeuer, das durch einen zundertrockenen Wald tobte. Was konnte...? Licht! Sie taumelte und konnte gerade noch verhindern, dass sie stolperte. Hätte sie gewusst, dass er diese Feuersbrunst, diesen rasenden Hunger in sich trug, hätte sie Angst gehabt, von ihm berührt zu werden! Andererseits ... Das Wissen, der auslösende Funke für ein solches Inferno zu sein, wäre nett gewesen. Sie konnte kaum erwarten auszuprobieren, ob sie das gleiche Ergebnis verursachen konnte wie... Sie stolperte wieder und diesmal musste sie sich auf eine verzierte Holztruhe aufstützen. Oh, Licht! Elayne! Ihr Gesicht fühlte sich wie ein Ofen an. Das war ja so, als würde man heimlich durch die Bettvorhänge spähen!
Schnell versuchte sie, den Trick durchzuführen, von dem Elayne ihr erzählt hatte, und stellte sich vor, diese Kugel aus Gefühlen in einem Taschentuch zu verknoten. Nichts geschah. Völlig außer sich unternahm sie den nächsten Versuch, aber das tobende Feuer war noch immer da! Sie musste aufhören, es sich anzusehen, aufhören, es zu fühlen. Egal, worauf sie sich konzentrierte, solange sie nur die Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtete! Egal was! Vielleicht, wenn sie redete.
»Sie hätte diesen Herzblatt-Tee trinken sollen«, plapperte sie drauflos. Sie verriet das, was sie sah, immer nur jenen, die darin verwickelt waren, und dann auch nur, wenn sie es hören wollten, aber sie musste etwas sagen. »Sie wird davon schwanger werden. Zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, beide stark und gesund.«
»Sie will seine Babys«, murmelte die Aielfrau. Ihre grünen Augen starrten stur geradeaus; sie biss die Zähne zusammen, ihre Stirn war schweißbedeckt. »Ich werde diesen Tee nicht trinken, falls ich...« Sie schüttelte sich und warf Min über die Breite des Korridors einen finsteren Blick zu. »Meine Schwester und die Weisen Frauen haben mir von dir berichtet. Siehst du bei Menschen wirklich Dinge, die dann wahr werden?«
»Manchmal sehe ich Dinge, und wenn ich verstehe, was sie bedeuten, dann geschehen sie auch«, sagte Min. Ihre Stimmen hallten durch den Korridor, weil sie laut sprachen,
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