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Die Herrschaft Der Seanchane

Die Herrschaft Der Seanchane

Titel: Die Herrschaft Der Seanchane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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eine betrachtete, kam es ihr so vor, als würde sie gleichzeitig das andere sehen. Es handelte sich nicht um die Gewebe der Adoptionszeremonie, aber sie unterlagen denselben Prinzipien. Sie verbanden miteinander; was eine mit diesem Gewebe verwobene Person erlebte, erlebten alle damit verwobenen. Sobald die Gewebe an Ort und Stelle waren, übergab sie die Führung des aus zwei Frauen bestehenden Zirkels an Aviendha. Die bereits erschaffenen Gewebe blieben bestehen und Aviendha wob sofort identische Gewebe um Elayne und auch um Min. Das zweite vermengte sie mit dem ersten, bis es von Elaynes nicht mehr zu unterscheiden war, dann reichte sie die Kontrolle zurück. Nach viel Übung gelang ihnen dies nun beinahe mühelos. Vier Gewebe, das heißt, nun waren es drei, aber sie schienen alle dieselben zu sein.
    Alles war bereit. Aviendha war wie ein Fels in der Brandung, das personifizierte Selbstbewusstsein, so stark wie alles, was Elayne je von Birgitte wahrgenommen hatte. Min hielt die Knöchel übereinander geschlagen und den Tischrand umklammert; sie konnte die Ströme nicht wahrnehmen, zeigte aber ein selbstsicheres Lächeln, das lediglich etwas dadurch verdorben wurde, dass sie sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. Elayne holte tief Luft. Ihren Augen bot sich das Bild eines Netzes aus Geist, das die feinste Spitzenstickerei grob erscheinen ließ. Wenn es jetzt nur so funktionierte, wie sie angenommen hatte.
    Sie griff gleichzeitig nach allen Geweben und zog sie in schmalen Bahnen bis zu Rand, wobei sie die drei Stränge zu einem verwob und daraus den Behüterbund erschuf. Sie hüllte Rand so sanft damit ein, als würde sie ein Baby mit seiner Decke zudecken. Der an den Faden eines Spinnennetzes erinnernde Strang aus Geist umhüllte Rand, drang in ihn ein. Er blinzelte nicht einmal, aber es war vollbracht. Sie ließ Saidar los. Das war es.
    Er starrte sie ausdruckslos an und führte langsam die Finger an die Schläfen.
    »Oh, Licht, Rand, die Schmerzen«, murmelte Min mit gequälter Stimme. »Ich habe es nicht gewusst, ich hatte ja keine Ahnung. Wie kannst du das ertragen? Da sind Schmerzen, von denen du nicht einmal zu wissen scheinst, als hättest du so lange mit ihnen gelebt, dass sie ein Teil von dir geworden sind. Diese Reiher auf deinen Händen; du spürst noch immer, wie sie sich dir eingebrannt haben. Diese Dinger auf deinen Armen schmerzen! Und deine Seite! Warum weinst du nicht, Rand? Warum weinst du nicht?«
    »Er ist der Car'a'carn«, sagte Aviendha lachend. »So stark wie das Dreifache Land!« Der Stolz stand ihr ins Gesicht geschrieben - oh, sie war so stolz -, aber noch während sie lachte, rannen ihr Tränen über die von der Sonne verbrannten Wangen. »Die Adern aus Gold. Oh, die Adern aus Gold. Du liebst mich, Rand.«
    Elayne starrte ihn einfach nur an, fühlte ihn in ihrem Kopf. Die Schmerzen der Wunden und Verletzungen, die er tatsächlich vergessen hatte. Die Anspannung und der Unglaube; das Staunen. Aber seine Gefühle waren zu unnachgiebig, wie ein erstarrender Bernsteintropfen, fast schon wie ein Stein. Doch sie wurden von goldenen Adern durchzogen, die pulsierten und aufglühten, wenn er Min ansah. Oder Aviendha. Oder sie. Er liebte sie tatsächlich. Er liebte sie alle drei. Und darüber hätte Elayne am liebsten vor Freude gelacht. Andere Frauen würden ihre Zweifel haben, aber sie würde immer wissen, dass seine Liebe wahrhaftig war.
    »Möge das Licht geben, dass ihr wisst, was ihr getan habt«, sagte er leise. »Möge das Licht geben, dass ihr nicht...« Der Bernstein wurde noch etwas härter. Er war davon überzeugt, dass sie verletzt werden würden, und er stählte sich bereits dagegen. »Ich... ich muss jetzt gehen. Wenigstens weiß ich nun, dass es euch allen gut geht; ich muss mir wegen euch keine Sorgen machen.« Plötzlich grinste er; beinahe hätte er jungenhaft ausgesehen, wenn das Grinsen seine Augen erreicht hätte. »Nynaeve wird schon glauben, ich hätte mich verdrückt, ohne noch einmal bei ihr vorbeizuschauen. Nicht, dass sie ein bisschen Aufregung nicht verdient hätte.«
    »Rand, da ist noch etwas«, sagte Elayne und hielt inne, um zu schlucken. Licht, und sie hatte gedacht, dass das der leichte Teil werden würde.
    »Ich schätze, Aviendha und ich sollten uns miteinander unterhalten, solange wir Gelegenheit haben«, sagte Min hastig und sprang vom Tisch. »An irgendeinem Ort, wo wir ungestört sind. Wenn ihr uns entschuldigt?«
    Aviendha erhob sich anmutig vom Teppich

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