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Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klußmann
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Christian IV. war nun einverstanden und schickte den Sohn gen Osten. Die Reise stand unter keinem guten Stern: Im Nordwesten Russlands überschlug sich Waldemars Kutsche. Die Russen empfingen den Königssohn dann mit Brot und Salz sowie fürstlichen Geschenken.
    Am 31. Januar 1644 nahm der Kreml den Dänen wie ein Familienmitglied auf: Musketiere standen ohne ihre Waffen Spalier; dem Bräutigam wurden goldener Zierrat, Zobel und teure Stoffe dargebracht. Der Zar selbst küsste und umarmte den Schwiegersohn in spe und bat ihn an seine Seite. Die Zarin schickte zwei Dutzend Handtücher als symbolisches Hochzeitsgeschenk. Die Ernüchterung folgte rasch. Der russisch-orthodoxe Patriarch suchte Waldemar auf und wollte von der versprochenen Religionsfreiheit nichts wissen: Der Däne solle zum einzig wahren christlichen Glauben übertreten, wobei der Täufling dreimal komplett ins Wasser getunkt würde. Waldemar reagierte mit protestantischer Überheblichkeit: »Ich habe die Bibel fünfmal gelesen«, beschied er den Orthodoxen, »ich bin schriftkundiger als jeder Priester.« Daraufhin bestellte ihn der Zar ein. »Dein Vater, der König, befahl dir, mein Wort zu befolgen«, donnerte Michail Fjodorowitsch Romanow. Waldemar beteuerte, dass er bereit sei, sein Blut für den Schwiegervater zu vergießen. Sein Glauben indes sei unverhandelbar; in seiner Heimat sei eine bikonfessionelle Ehe im Übrigen kein Problem. Der Zar blieb hart: In Russland sei unterschiedliche Religionszugehörigkeit in der Ehe sogar dem gemeinen Volk verboten.
    Der mit allen Ehren begrüßte Prinz war nun ein Gefangener; seine verzweifelten Fluchtversuche wurden gewaltsam beendet. Hofbeamte redeten dem Dänen zwar zu: Schön und klug sei die Braut, und sie trinke nicht einmal. Aber es half nichts. Dem Kremlherrscher warf Waldemar in einem Schreiben vor, er handle schlimmer als »untreue Türken und Tataren«. Als Antwort drohte der Zar dem Prinzen mit Verbannung, aber der Däne zeigte sich unbeugsam: »Es ist besser, mit einem reinen Gewissen zu sterben, als ehrenvoll mit einem unreinen Gewissen zu leben.« So weit kam es nicht, denn am 23. Juli 1645 starb der Zar. Waldemar konnte nach anderthalb Jahren zurück nach Dänemark reisen. Der protestantischen Dänengemeinde in Moskau blieb ein Trost: 1652 bezog sie eine neue Kirche. Michail hatte das Gotteshaus im Juli 1643 als Morgengabe für Prinz Waldemar in Auftrag gegeben.

TEI L II
    AUFBRUCH NACH
EUROPA

Tyrannischer Aufklärer
    Peter der Große modernisierte das Land
mit Gewalt. Als Flottenbauer und Feldherr formte er
aus seinem Reich eine europäische Großmacht.
    Von Mathias Schreiber
    D er ideale Herrscher ist nicht nur klug und energisch, sondern auch groß und stark – dieses Wunschbild wurde in der Geschichte manchmal wahr. Ein zupackender Riese ist der Russe Pjotr Alexejewitsch Romanow (1672 bis 1725) bereits in jungen Jahren. Dem 13-Jährigen bescheinigt 1685 ein niederländischer Gesandter in Moskau, er habe nicht nur »angenehme Gesichtszüge«, sondern sei so lebhaft am »Militärischen« interessiert, dass man von ihm eines Tages »gewiss kühne Aktionen und heroische Taten« erwarten könne. Zu diesem Zeitpunkt trägt er schon drei Jahre den russischen Herrschertitel: »Zar Peter I. « Als Erwachsener verfügt Peter über das Gardemaß von gut zwei Metern, da demonstriert er schon mal seine Kraft, indem er mit bloßen Händen aus einem silbernen Teller einen Klumpen knetet. Aber den Ruhmestitel »der Große« verdient sich der Tatmensch Peter viele Jahre später am Ende des »Nordischen Krieges«. Brutalität ist ihm lange vertraut. Mit nur zehn Jahren wird er im Moskauer Kreml-Palast Augenzeuge eines Blutbades. Auslöser ist eine vertrackte Mischung aus Familienzwist und politisch-sozialem Aufstand. Der Familienstreit folgt einem klassischen Muster: Peters Vater, der reformfreudige Zar Alexej Michailowitsch (1629 bis 1676), hat aus zwei Ehen 16 Kinder. Zwischen den Clans der beiden Mütter schwelt eine Dauerfehde, genährt vom Wunsch, dass der nächste Zar aus ihrer Linie stamme.
    Gleichzeitig brodelt es bei den Strelizen, einer Elitetruppe, die 20000 Mann umfasst. Die Soldaten beschuldigen ihre Obristen der Unterschlagung von Sold und der Misshandlung. Die Regierung lässt sie gewähren. Die Strelizen genießen diesen Machtgewinn und ergreifen – angeblich um den Staat vor seinen Feinden zu schützen – Partei im Nachfolgestreit der verfeindeten Zarensippschaften. Im Mai 1682

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