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Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klußmann
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meinte, belegt sein Fazit, er habe gerade »mit dem intelligentesten Menschen Russlands« geredet. Doch das wahre Ergebnis der Begegnung fiel weit trüber aus als erhofft. Für kurze Zeit kostete Puschkin in Moskau nun seinen Ruhm voll aus. Begeisterte Literaturfreunde, schmachtende Schönheiten der feinen Gesellschaft und von deutscher Philosophie inspirierte junge Männer der Intelligenz, alle suchten die Nähe des Wortmagiers. Aber schon nach der ersten halböffentlichen Lesung seiner Tragödie »Boris Godunow« mit ihren heiklen Anspielungen auf das Zarenregiment kam eine höfliche Verwarnung, die den Dichter zum Katzbuckeln nötigte.
    »In diesem Ton« habe sich Puschkin »von nun an immer wieder rechtfertigen müssen«, schreibt sein Biograf Rolf-Dietrich Keil. Und die Zensur durch den Zaren persönlich lief nur darauf hinaus, dass Druckgenehmigungen noch länger ausblieben als zuvor. Immerhin konnte Puschkin seinen früheren Lebenswandel einigermaßen wieder aufnehmen. Der eher kleine Mann mit Winkelprofil, lebhaften Augen, dunklem Teint, angenehmer Stimme, aber krallenartig langen Fingernägeln pflegte den Tagesrhythmus eines Bonvivants: Bis zum Mittag im Bett bei Freunden oder im Hotel, später oft am Spieltisch, dann in Salons und auf Festen, fortwährend in Liebschaften verstrickt, zwischendrin eilig Werke aufs Papier werfend. Für die engsten Freunde nahm er damit fast wieder seinen vertrauten Platz ein. Etliche kannten ihn schon aus dem Reformgymnasium der Sommerresidenzstadt Zarskoje Selo (die heute nach ihm Puschkin heißt). Dort hatte er die modernste Erziehung für angehende Staatsdiener genossen und sich mit gewagter Freigeisterei, Streichen und genialischen Versen hervorgetan.
    Sohn eines zum Jähzorn neigenden Ex-Gardeoffiziers und einer Mutter, die vom legendären Hannibal, dem »Hofmohren« Peters des Großen, abstammte, wurde Puschkin nach dem Schulabschluss als »Kollegiensekretär« im Außenministerium von Sankt Petersburg angestellt. Der Draufgänger, den seine Mitschüler als »Mischung aus Tiger und Affe« bezeichnet hatten, brauchte für sein leidliches Jahresgehalt von 700 Rubeln nicht viel zu arbeiten. Selbst dieses Auskommen setzte er mit gewagten Reden und Gedichten über die Freiheit mehrfach aufs Spiel. Behördliche Vorwürfe, eine nur mit Glück überstandene Hausdurchsuchung, endlich 1820 die amtliche Versetzung in den Süden sollten den ungebärdigen Salonlöwen zähmen.

    Alexander Puschkin
    (Porträt von Orest Kiprenski, 1827)
    ULLSTEIN BILD
    Doch die nahezu luxuriöse Verbannung ins moldauische Kischinjow und nach Odessa weckte erst recht sein Rebellentum. Reisen bis in den Kaukasus und auf die Krim inspirierten ihn, und wachsender literarischer Erfolg machte ihn immer stolzer. Kein Wunder, dass Puschkin vom rasch gescheiterten Aufstand der Dekabristen tief getroffen wurde – mehrere seiner Freunde endeten 1826 am Galgen. Kein Wunder aber auch, dass er nun allzu offenherzige Papiere vernichtete und fast demütig versuchte, die Milde des neuen Zaren zu erlangen. Umsonst: Der Staatsmacht blieb er suspekt. Am wenigsten beäugt fühlte er sich fortan auf einem Gütchen seiner Familie, Michailowskoje bei Pskow in Nordwestrussland. Dort fand er so viel Inspiration, dass ihn 1830 in Moskau und Petersburg ein wahrer Schaffensrausch erfasste. In kurzer Zeit entstanden mehrere große Erzählungen, Gedichte und Schlusspartien seines genialen Versromans »Eugen Onegin«.
    Ausgerechnet seine Heirat aber zerrte den Poeten dann wieder vor das Auge der Obrigkeit: Die für ihre Schönheit berühmte junge Natalja Gontscharowa, erst nach mühsamer Werbung von den Eltern freigegeben, machte auch auf den Zaren selbst erheblichen Eindruck. Unablässige Geldnot – die skeptische Schwiegermutter hatte anfangs allein für die Hochzeitsfeier 30000 Rubel verlangt – und das Bewusstsein, kein unzensiertes Wort verbreiten zu können, nahmen dem ohnehin rastlosen Dichter fast jeden Gleichmut. Durch die nie beendete Auftragsarbeit einer »Geschichte Peters des Großen« und seine eher demütigende Ernennung zum Kammerjunker geriet der ungestüme Poet in quälende Abhängigkeit vom Hof. 1835 musste der nahezu hoffnungslos verschuldete Puschkin 30000 Rubel aus der Privatschatulle des Zaren annehmen. Mit der materiellen Freiheit schien er auch die geistige Unabhängigkeit zu opfern.
    Immer lauter wurden nun Gerüchte, die bildschöne Natalja sei in Wahrheit eine Geliebte des Zaren. Ehemals von Puschkin

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