Die Herzogin der Bloomsbury Street
verneigte und sagte:
»Madams Wagen wartet.«
Ich sagte zu ihm, dies sei meine einzige und letzte Chance, eine gefeierte Persönlichkeit zu sein, und ich würde sie bis zum Äußersten auskosten. Er nickte gemessen und sagte: »Gewiss.« Er und die beiden jungen Männer, die an der Rezeption arbeiten, haben ihr helles Vergnügen an all den Rosen und den Telefonaten und den hinterlegten Nachrichten. Und ich auch, das kann man wohl glauben.
Die Dinnerparty fand in einem ungarischen Restaurant statt. Es heißt Victor’s. Victor ist ein guter Freund von André Deutsch, sie sind beide Ungarn, aber Victor ist noch ungarischer. Er verneigte sich und küsste mir die Hand und sagte, ich sei »schön« und »für einen Monat Königin von London« und mein Buch sei auch »schön«. Ich sagte zu Deutsch:
»Ihr Freund scheint direkt einem Molnar zu entspringen.«
Und Deutsch sah mich milde überrascht an und sagte:
»Ah, kannten Sie Ferenc?«
Nein, ich kannte Ferenc nicht, aber André Deutsch kannte ihn. Falls es einen noch lebenden Molnar-Fan gibt, der dies liest: Man spricht es Ferenzi.
Das Dinner fand in einem privaten Speisesaal im ersten Stock statt; wir stiegen die mit Teppich ausgelegte Treppe empor, ungefähr acht Personen, und betraten einen Speisesaal, in dem ein großer, runder Tisch stand, beladen mit Weingläsern und Blumen und Kerzen. Ich saß zwischen André Deutsch – sehr liebenswürdig und wie aus einer versunkenen Zeit – und dem »bekannten Reporter«, dessen Namen ich nicht verstand.
Alle am Tisch waren beeindruckt davon, dass ich Joyce Grenfell treffen würde. Ich kenne sie als Komödiantin aus britischen Filmen, aber in England ist sie viel berühmter für ihre Solo-Auftritte, die ich nicht gesehen habe. Sie schreibt ihre Stücke selbst, und ihre Vorführungen sind immer ausverkauft. Jetzt macht mich die Aussicht, sie kennen zu lernen, natürlich befangen.
Beim Kaffee reichte jemand ein Exemplar von
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herum und ließ es von allen Gästen für mich signieren. Oben auf die Seite hatte jemand ein blumiges Kompliment hineingeschrieben, an »die Autorin, bei der Talent mit Charme gepaart« ist und Geselligkeit mit noch etwas, und Deutsch las es vor und nickte emphatisch, schrieb seinen Namen darunter und reichte mir mit großer Geste das Buch. Und Victor las die Widmung und sagte: »Ja, ja, so war es!« Und unterschrieb mit seinem Namen (»Ihr Gastgeber!«) und küsste mir noch einmal die Hand, und das Dessert war ein aufwendig verzierter Kuchen, auf dem in rosa Zuckerguss stand:
WILLKOMMEN HELENE.
Kam um Mitternacht ins Hotel, rauschte in die Halle und teilte Mr. Otto und den jungen Männern mit, dass ich fortan als Herzogin von Bloomsbury gelten wolle. Oder wenigstens als Herzogin der Bloomsbury Street.
Die beiden jungen Männer sind Studenten aus Südafrika. Einer von ihnen fährt in den nächsten Tagen zurück, und der andere empfahl ihm in lässigem Ton:
»Wenn die Polizei zu dir kommt, iss meine Adresse auf.«
Mittwoch, 23 . Juni
Nora und ich wurden von einem Antiquar zum Lunch ausgeführt, und beim Essen erzählte Nora die folgende skurrile Geschichte.
Mir scheint, dass Buchhändler eine ähnliche Cliquenwirtschaft haben wie Schauspieler, jedenfalls waren Frank und Nora zehn Jahre lang eng befreundet mit einem Buchhändler namens Peter Kroger und seiner Frau Helen. Die Doels und die Krogers waren unzertrennlich, obwohl die beiden Männer eigentlich Konkurrenten waren. Einmal gaben die Doels eine Silvesterparty, und Helen Kroger erschien in einem langen schwarzen Abendkleid, in dem sie sehr exotisch aussah.
»Helen, du siehst aus wie eine russische Spionin!«, sagte Nora. Und Helen lachte, und Peter lachte, und ein paar Monate später griff Nora morgens zur Zeitung und erfuhr, dass Helen und Peter Kroger
tatsächlich
russische Spione waren.
»Die Journalisten rannten uns das Haus ein«, erzählte Nora. »Sie boten mir ein paar tausend Pfund, wenn ich ihnen von dem ›Ring‹ erzählen würde. Ich sagte, dass der einzige Ring, über den ich etwas sagen könne, mein Ehering sei.«
Sie besuchte die Krogers im Gefängnis, und Peter fragte sie, ob sie sich daran erinnere, dass sie Helen mit einer russischen Spionin verglichen habe.
»Das muss ein ganz schöner Schlag für sie gewesen sein«, sagte ich.
»Ich weiß nicht«, sagte Nora. »Er fragte nur, ob ich mich daran erinnere, dann haben wir von etwas anderem gesprochen.«
Sie und Frank gingen zu den Gerichtsverhandlungen und
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