Die Herzogin der Bloomsbury Street
älteren Jungen Andacht halten, am Ende einer jeden Bank hängt eine Namensliste, so dass die Anwesenheit der Jungen von einem Aufsichtführenden vermerkt werden kann. Wir lesen die Namen auf einer der Listen – »Harris Major. Harris Minor. Harris Tertius« –, in Eton macht man nichts auf Englisch, wenn man es auch auf Latein machen kann.
In die holzgetäfelten Wände vor den Klassenzimmern sind, ähnlich wie auf den Tischen, ebenfalls dicht an dicht Namen eingeritzt. P.B. erzählte mir, dass die Jungen, die ihren Abschluss machen, ein paar Shilling an das College bezahlen, damit ihr Name in die Täfelung geritzt wird. Wir haben William Pitts Namen gesehen und den von Shelley (und P.B. zeigte mir seinen). Man könnte einen Monat damit zubringen, an den Wänden entlangzukriechen und die Namen zu lesen.
Herzzerreißende Gedenktafeln für die gefallenen Eton-Schüler. Eine Familie hat im Ersten Weltkrieg acht Männer verloren, sieben davon zwischen zwanzig und dreißig. Die Grenfells (die Familie von Joyce Grenfells Ehemann) hat den Großvater, den Vater und einen Sohn verloren – und sechs Männer im Burenkrieg zwölf Jahre davor.
Wir gingen nach draußen und sahen die Sportplätze, auf denen all diese Kriege angeblich gewonnen wurden. Einige Jungen spielten Cricket, andere schlenderten vorbei und schwangen ihre Tennisschläger. Samstags dürfen die Jungen gewöhnliche Sportsachen anziehen, aber wir sahen auch etliche in der Eton-Uniform: schwarzer Schwalbenschwanz, weißes Hemd, gestreifte Hosen. P.B. sagt, Zylinder würden nur noch zu besonders feierlichen Anlässen getragen. (Die Zylinder haben die Eton-Schüler vor Ärger bewahrt. Wenn einer der Jungen in einen Pub oder einen verbotenen Film gehen wollte, konnte der Geschäftsführer ihn daran selbst aus der Ferne erkennen und rauswerfen.)
Die Gesichter der Jungen sind unglaublich sauber, wie in Stein gemeißelt, und schön. Und die Schwalbenschwänze – die in den vierziger und fünfziger Jahren irgendwie fehl am Platz gewirkt haben müssen – passen jetzt wunderbar zu dem längeren Haar, das die Jungen derzeit tragen. Mit ihren edlen Gesichtern, den langen, glänzend gebürsteten Haaren und den perfekt geschnittenen Schwalbenschwänzen sahen sie aus wie sagenhafte Prinzen aus der edwardischen Zeit.
Um vier fuhren wir nach London zurück; P.B. wollte mir Marlborough House zeigen, und das schließt um fünf, doch zuerst mussten wir bei seiner Wohnung vorbeifahren, um seinen Brief zu holen. Der Brief öffnet einem im Marlborough House spezielle Türen, so wie die Eton-Krawatte in Eton. Er ist auf Briefpapier mit dem Briefkopf vom Marlborough House geschrieben, das Datum lautet 1948 , er beginnt mit »Lieber Cousin Buckly«, und ist unterschrieben mit »George R.«. (Für die uneingeweihten Bürger der klassenlosen amerikanischen Gesellschaft sei erwähnt, dass R für Rex, also König, steht. George R. heißt also George VI .) Ich habe den Brief nicht gelesen, ich glaube, es ist eine Erlaubnis, jederzeit Besucher im Marlborough House herumzuführen.
Wir fuhren zum Marlborough House, konnten es aber nicht besichtigen, da es, wie der Wächter erklärte, zum Reinemachen geschlossen sei. Die Royal Chapel sei offen, und P.B. sagte, ich solle am Sonntag dort zum Gottesdienst gehen. Er sagte, sie sei nie voll oder von Touristen umlagert, weil nur wenige Menschen wüssten, dass die Kapelle der Öffentlichkeit zugänglich sei. Königin Mary hat dort geheiratet, und aus Zuneigung zu ihr und zu Pope-Hennessy habe ich beschlossen hinzugehen.
Später
Laura Davidson aus Oxford hat gerade angerufen. Sie hatte mir einen Fan-Brief geschrieben und erzählt, dass ihr Mann, der Professor in Swarthmore ist, für ein Jahr eine Gastprofessur in Balliol habe. Sie und ihr fünfzehnjähriger Sohn seien begeisterte Leser meines Buches und möchten, dass ich nach Oxford komme. Ich hatte zurückgeschrieben und ihr mitgeteilt, wann ich in London sein würde, und sie hat sogar eine Reise nach Paris verschoben, nur damit sie in Oxford ist, wenn ich komme. Als ich ans Telefon ging und mich meldete, sagte sie:
»Hallo, hier ist Laura Davidson, wie geht es Ihnen, wann kommen Sie nach Oxford? Mein Sohn ist so gespannt, dass er es kaum noch aushält.«
Wir einigten uns auf den nächsten Freitag. Sie sagte, es fahre fast stündlich ein Zug, ich solle einfach anrufen und durchgeben, mit welchem Zug ich kommen würde, und sie würde mich abholen. Sie halte das Buch in der Hand,
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