Die Herzogin der Bloomsbury Street
daran könne ich sie erkennen.
Schon wenn ich zu Hause bin und gesund, stelle ich mich ganz furchtbar an, wenn es ums Reisen geht, und die Aussicht auf fremde Bahnhöfe und eine Zugreise in diesem Land macht mich ganz krank, aber Oxford muss ich sehen. Es gibt im Trinity College eine Suite von Studentenzimmern, wo John Donne, John Henry Newman und Arthur Quiller-Couch zu unterschiedlichen Zeiten gewohnt haben. Was ich über das Schreiben in englischer Sprache weiß, haben diese drei mir beigebracht, und bevor ich sterbe, möchte ich in ihren Studentenzimmern stehen und ihre Namen segnen.
Von Q (Quiller-Couch) habe ich meine ganze höhere Schulbildung. Als ich siebzehn war, ging ich eines Tages zur öffentlichen Bibliothek auf der Suche nach Büchern über die Kunst des Schreibens und fand fünf Bücher mit Vorlesungen, die Q in Cambridge vor seinen Studenten über das Schreiben gehalten hatte.
»Das ist genau das, was ich gesucht habe!«, sagte ich und gratulierte mir. Ich eilte mit dem ersten Band nach Hause, fing an zu lesen, kam bis Seite 3 und stieß auf ein Problem:
Q hielt seine Vorlesung vor jungen Männern, die in Eton und Harrow zur Schule gegangen waren. Folglich nahm er an, dass seine Studenten – mich eingeschlossen – natürlich
Das verlorene Paradies
von Milton gelesen hatten und die »Beschwörung des Lichts« in Buch 9 verstehen würden. Ich sagte also: »Moment mal«, ging wieder in die Bibliothek, holte mir
Das verlorene Paradies,
nahm es mit nach Hause, fing an zu lesen, kam bis Seite 3 , als ich auf ein Problem stieß:
Milton ging davon aus, dass ich das Buch Jesaja in der christlichen Version des Alten Testaments und das Neue Testament gelesen hatte und dass ich über Luzifer und den Krieg der Erzengel Bescheid wusste, und da ich im jüdischen Glauben erzogen war, wusste ich darüber nichts. Ich sagte also: »Moment mal«, und borgte mir eine Bibel und las über Luzifer und all das, dann nahm ich wieder Milton zur Hand und las
Das verlorene Paradies,
und schließlich kam ich wieder zu Q und las auf Seite 3 weiter. Auf Seite 4 oder 5 bemerkte ich, dass das wichtigste Wort in dem Satz oben auf der Seite lateinisch war und das lange Zitat am Ende der Seite griechisch. Also suchte ich per Annonce im
Saturday Review
jemanden, der mir Latein und Griechisch beibringen konnte, und in der Zwischenzeit las ich Q weiter und entdeckte, dass er nicht nur annahm, ich hätte alle Stücke Shakespeares und Boswells
Dr. Samuel Johnsons Leben und Meinungen
gelesen, sondern auch das Zweite Buch Esdras, das weder im Alten Testament noch im Neuen zu finden ist, sondern in den Apokryphen, einer Sammlung von Schriften, von deren Existenz mir nie jemand erzählt hatte.
So führte das eine zum anderen, und nachdem ich durchschnittlich dreimal pro Woche »Moment mal« gesagt hatte, brauchte ich elf Jahre, um alle fünf Bände von Qs Vorlesungen durchzulesen.
Q machte mich auch mit John Henry Newman bekannt, der am Oriel College in Oxford unterrichtet hatte, und wenn ich Trinity zu Ende besichtigt habe, dann gehe ich zum Oriel College und setze mich in John Henrys Kapelle und erkläre ihm, dass ich zwar immer noch eine Menge von dem, was er schreibt, nicht verstehe, dass ich aber viele Seiten aus der
Apologia
auswendig kann und eine Erstausgabe von
Vom Wesen der Universität
mein Eigen nenne.
Sonntag, 27 . Juni
P.B. hat Recht, die Royal Chapel vom Marlborough House ist keine Touristenattraktion, und nur wenige Menschen wissen, dass sie für die Öffentlichkeit geöffnet ist. Wenn sie geöffnet ist.
Ich wählte meine Garderobe sehr sorgfältig und ging heute Morgen dorthin. Nur ein kleines Grüppchen von Menschen war in der Kirche. Sie alle besuchen offensichtlich jeden Sonntag den Gottesdienst, sie alle kennen sich offensichtlich, und alle haben während der Dauer des Gottesdiensts versucht herauszubekommen, wer ich bin. Aus dem Geflüster und den Blicken aus den Augenwinkeln konnte ich mir die Gespräche zusammenreimen:
»Meine Liebe, dreh dich jetzt nicht um …«
»… da hinten, am Ende der Reihe, ein paar Reihen hinter …«
Psspsspss.
Eine kantige alte Dame setzte sich ihre Brille auf, damit sie mich eingehend betrachten konnte. Dann wandte sie sich an ihre hagere Banknachbarin und schüttelte den Kopf in einem eindeutigen »Nein!«. Die hagere Dame wollte sich ihre Meinung nicht ausreden lassen. Sie blickte mich unverwandt an und lächelte zaghaft, so wie man lächelt, wenn man jemanden
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