Die Herzogin der Bloomsbury Street
von einem stehenden FDR übel, auf Beinen, die während seiner ganzen Zeit im Weißen Haus verkrüppelt und nutzlos waren. Man kann Roosevelts enorme Leistung nicht ermessen, wenn man die Tatsache, dass er vom Bauch abwärts gelähmt war, außer Acht lässt. Ich würde ihn als sitzende Skulptur meißeln, mit der Decke, die er immer über die Knie legte, um seine verkümmerten Beine zu verstecken. Alles andere ist eine Geringachtung des Edelmuts und des Humors in seinen unerschrockenen Gesicht. Da bei dieser Statue Edelmut und Humor ohnehin nicht zum Ausdruck kommen, ist es auch wiederum unerheblich. Aber es ist schön, dass so viele Engländer ihn geliebt haben.
Jean und Ted Ely erstaunen mich immer aufs Neue. Sie hatten mich in New York zum Essen eingeladen, nachdem sie mein Buch gelesen hatten. Sie wohnen in einer sehr eleganten Wohnung an der Fifth Avenue, überall glänzendes Mahagoni und alte Teppiche und warme Farben, und ich fand, dass sie das schönste Paar sind, das ich kenne. Beide sind schlank und aufrecht, beide haben dichtes graues Haar, ebenmäßige Züge und heitere, glatte Gesichter – und als Jean mir nebenbei erzählte, dass sie beide Mitte siebzig seien, war ich wie vor den Kopf geschlagen. Sie sind so unglaublich attraktiv und von der Zeit unberührt wie die Eltern einer Debütantin in einem Film aus den dreißiger Jahren.
Beim Abendessen sprachen wir von P.B. Ich habe ihm ein Briefchen geschickt und ihm erzählt, dass ich zwei Wochen länger bleibe, Jean sagte, dass er vielleicht einen Ausflug mit uns dreien macht.
Ich wurde von einer Limousine mit Fahrer zum Hotel gefahren; wie soll ich mich bloß wieder an das Leben in der Second Avenue gewöhnen, wenn ich nach Hause komme? Ena rief an und fragte, ob mir Sonntagmorgen passen würde und ich Zeit für sie hätte. Worauf ich mich so einlasse, wenn ich ein wenig Gin getrunken habe!
Freitag, 16 . Juli
Bin gerade zurück von Noras kaltem Buffet – zu dem ich mit einer Verspätung von anderthalb Stunden eintraf, und ich war der Ehrengast, ich muss schon sagen, der Abend begann katastrophal.
Nora hatte morgens angerufen und gesagt, dass mich ein Wagen um sieben Uhr fünfzehn abholen würde, also saß ich wie immer um sieben ausgehfertig in der Halle und wartete. Kein Wagen kam um sieben Uhr fünfzehn, kein Wagen kam um sieben Uhr dreißig, und um sieben Uhr fünfundvierzig beschloss ich, dass Noras Freunde vergessen hatten, mich abzuholen, und rief Nora an. Sie sagte, sie habe mir ein Taxi bestellt, damit ich »stilgemäß vorfahren würde«. Das Taxi kam nie an. Sie sagte, ich solle auf der Straße ein Taxi anhalten und zu ihr kommen.
Ich ging auf die Straße und hielt ein Taxi an und setzte mich hinein. Doch der Norden Londons ist vom Zentrum ungefähr so weit weg wie das äußerste Ende Brooklyns von Manhattan, und die Londoner Taxifahrer ähneln in grimmiger Weise New Yorker Taxifahrern. Ich gab dem Fahrer Noras Adresse, und er sah mich mit stierem Blick an.
»Ich weiß nicht, wo das ist, Madam«, sagte er mit tonloser Stimme. Voller Unschuld erklärte ich ihm, das sei in Highgate. Jetzt starrte er vor sich hin und wiederholte mit derselben ausdruckslosen Stimme:
»Ich weiß nicht, wo das ist, Madam.«
Ich verstand die Botschaft, stieg aus, wartete zehn Minuten auf das nächste Taxi und stieg ein. Ich gab dem Fahrer Noras Adresse, und wir spielten das gleiche Spiel noch einmal. Diesmal war der Fahrer allerdings so begierig, sich aus dem Staub zu machen, dass er Gas gab, bevor ich richtig ausgestiegen war, und ich fiel hin und schürfte mir das Bein auf. Da stand ich also mit blutüberströmtem Bein, es war acht Uhr fünfzehn, und um sieben Uhr dreißig hatte ein Essen zu meinen Ehren angefangen. Ich konnte nicht auf mein Zimmer gehen, mir die Wunde säubern und neue Strümpfe anziehen, weil ich dann noch einmal fünfzehn Minuten später dran gewesen wäre.
Ich ging in die Halle und fragte den Mann an der Rezeption, und der sagte, was ich bräuchte, sei ein Minicab, die würden überall hinfahren. Minicabs in London entsprechen dem New Yorker Limousine Service (und sind genauso teuer). Er rief für mich den Mincab Service an, und der Wagen fuhr zehn Minuten später vor. Der Fahrer sagte, sein Name sei Barry, er mache ein Praktikum im Krankenhaus und fahre Minicab, um sich nebenher etwas Geld zu verdienen. Er bretterte durch die Hügel von Nord-London, als wolle er uns beide ins Grab bringen, doch was soll’s, er hat mich zum Ziel
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