Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
sich diesen Gang womöglich nie abgewöhnen. Ach doch, korrigierte er sich aber gleich, denn gestern zu Pferd habe er mit seiner leger aufrechten Haltung regelrecht elegant gewirkt, warum also nicht auch mal zu Fuß?
W aldur zog es nicht zum Main, sondern zum Parkrand auf die Blumenwiese. Dort zog er sich sein Kittelhemd über den Kopf und die Sandalen von den Füßen, legte beides beiseite und machte es sich zwischen Klatschmohn und Rittersporn bequem. Selbstverständlich so, dass er die Palasttür im Auge hatte. Und wie er dann vor sich hindöste, tauchte wieder Chrodegildes Bild in ihm auf. Ihr asiatisches Gesicht mit diesem koketten Lächeln, und dann dieser Eigenduft, der sie umgab, einfach betörend. Eins allerdings irritierte ihn nach wie vor, ihr Hekatering. Denn Hekate, die Herrin des Neumonds, hatte mit einem Minnezauber nun wahrlich nichts zu tun. Womöglich habe Chrodegilde ihm mit ihren angeblichen Zauberkünsten auch nur imponieren wollen, zog er nun wieder in Erwägung, was er ihr keineswegs verübelte, denn verzaubert fühlte er sich so oder so von ihr. Von der geheimnisvollen, von ihrem Vater gänzlich eingeschüchterten und dennoch so stolzen Chrodegilde. War sie schon Jungfer?
Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen, denn eine verschlungene Hanfschnur landete vor seinen nackten Füßen und ein Junge rief ihm zu: „Versuch du mal, diese Knoten aufzukriegen, die Frauen da hinten brauchen die Schnur.“
„Mach ich“, versprach ihm Waldur und spähte durch die Bäume zur Parkfestwiese, wo mehrere Frauen Blumengirlanden flochten. Auch sah er, wie hinter ihnen schubkarrenweise Linden-, Haselnuss- und Weißdornzweige für das dortige Sonnwendfeuer angefahren wurden, wie einige Männer für das Tanzpodest Bretter anschleppten und etliche mit Leitern in den Bäumen standen, um sie mit den rot-gelben Sonnwendschleifen zu verzieren. Es wurde schon richtig festlich dort. Gleichwohl gab es noch reichlich zu tun auf den Festwiesen, wusste er, weshalb er sich dranmachte, den Bindfaden zu entknoten.
Doch bereits im nächsten Moment warf er ihn wieder beiseite und sprang hoch - Chlodwig stand suchend in der Tür. Waldur machte sich mit einem Pfiff durch die Zähne bemerkbar, Chlodwig entdeckte ihn, und dann rannten die Freunde mit lautem Hallo aufeinander zu.
„Endlich, Floh!“
„He, nicht so fest!“
„Komm, wir verschwinden von hier.“
Waldurs Hemd, die Sandalen und der Bindfaden blieben vergessen auf der Wiese zurück, als die zwei Freunde, Waldur nur noch mit kurzer Hose bekleidet, am Main entlang zu ihrer Felsgrotte schlenderten, in die sie sich dann verkrochen.
Jeder jetzt auf seinem breiten, flachen Stein hockend, prahlte Chlodwig mit seinen Reiseerlebnissen. Seine Stimme schmetterte wie eine Trompete, und genau wie eine Trompete schoben sich beim Sprechen auch stets seine Lippen vor, was ebenso niedlich wie forsch aussah. Waldur musste ihn immerfort betrachten, wobei er gebannt seinem Bericht lauschte - Abenteuer über Abenteuer, gefährliche, witzige, amouröse und auch schier unglaubliche. Etwas übertrieben alles, lächelte Waldur in sich hinein, doch das stört mich nicht. Eins nur wundert mich, sollte Chlodwig denn nie Heimweh gehabt und mich nicht die Spur vermisst haben?
Endlich konnte er dazwischen kommen: „Sag mal, Floh, wie waren denn bei dir die ersten Tage? Hast du da denn gar kein . . “
„Grandieux waren die!“, schnitt ihm Chlodwig, der genau wusste, worauf Waldur hinaus wollte, das Wort ab, „Da hat mich doch gleich am ersten Abend eine hinreißende Jungfer zu sich in ihren Garten gebeten, und dann - oh, l�, l�, ist das ein Abend geworden . . “
Er erzählte und erzählte . . .
Waldur wurde immer kleinmütiger. Wenn ich selbst nachher meine Reise schildern muss, was nur soll ich da berichten? Meine Begegnung mit Chrodegilde? Kinderkram, würde Chlodwig wahrscheinlich nur lachen. Besser, ich erzähle ihm nichts von ihr. Aber was sonst kann ich berichten? Vermutlich gar nichts, denn Chlodwigs Mund wird heute ohnehin nicht mehr stillstehen, er scheint ja nicht mal Luft zu holen zwischen seiner Trompeterei.
Schließlich wurde es Waldur zuviel. „Heh, Floh“, rief er ihn an, „F l o h ! - H ö rd uj e t z tm i rm a lz u !“
Chlodwig verstummte, sah Waldur groß an, und der forderte von ihm: „So, und jetzt will ich von dir wissen, ob du mich - nein, ob du dich die ersten Tage wirklich kein bisschen elend gefühlt hast.“
Chlodwig verstand ihn sehr wohl, da er
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