Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
wieder nicht ohne Kleckern gelang. Deshalb musste er sich von dem Geschirrwagen neben der Tür einen Lappen holen, den Tisch sauber wischen und den Lappen wieder zurücktragen.
„Unmöglich“, fand mürrisch die Fürstin.
Dann rührte er mit seinem Hornlöffel in der halbvollen Schale herum - und hörte und hörte nicht auf damit. Sie warf ihm schon stirnrunzelnde Blicke zu, doch das machte ihn nur noch nervöser, weshalb sein Löffel noch schneller durch den Brei kreiste.
Bis sie platzte: „Schluss jetzt mit dem Gekratze, zerreißt einem ja das Gehör!“
In dem Moment hatte lachend der Fürst den Raum betreten: „Guten Morgen, ihr zwei!“
„Guten Morgen, Vater!“
„Morgen.“
Des Fürsten dickes gelbes Haar und der gelbe Bauschbart noch nass von einem Morgenbad im Main, stellte er sich hinter seine Schwester und erklärte Waldur augenzwinkernd: „Frühmorgens ist dein Tantchen immer lieblich wie ein erwachender Blumenelf. Nur Lärm verträgt’s halt nicht, da wird der Elf zur Kratzbürst- g ch ch ch ! “
„Sei still, und setz dich“, murrte sie darauf, hatte aber ihre netten Lachfältchen in die Augenwinkel bekommen.
„Gleich doch, Schwesterlein“, versprach der Fürst, nahm ihren hellblonden, hübsch zu einem Zopfkranz frisierten Kopf in seine kalten Hände und drückte ihn an seinen Bauch.
„ I h h h “, schrie sie auf, „du unverschämter Eisbär!“, worauf er und Waldur in Lachen ausbrachen.
Während er neben ihr Platz nahm, wollte er nach einer Schale greifen. Doch sie war flinker, stellte mit raschem Griff die Schale in die Mitte des Tisches vor einen Tontopf und schöpfte, frech dabei schmunzelnd, Brei hinein. Kelle um Kelle, bis die Schale randvoll war, und dann forderte sie ihn auf: „Bitt’schön, mei herzig Brüderle.“
So, und das herzig Brüderle konnte jetzt zusehen, wie es die übervolle Schale zu sich heran bekam. - Und bravo, es gelang ihm!
Ja, die für ihren Humor bekannte Fürstin konnte, wie sie gerade bewiesen hatte, auch kauzig sein. Das liege an ihren vielen Verehrern, die sie bis heute bedrängten, behauptete ihr Bruder, was sogar überzeugend klang, da sie mit ihren sechsundvierzig Jahren noch immer eine Frau zum Hinschauen war. Geheiratet hatte sie nie, denn kein Freier war ihr je schneidig, gescheit, taktvoll oder generös genug gewesen. Nicht mal Hilibrands Vater, dessen Namen sie beharrlich verschwieg und der auch nie von seinem Sohn erfahren hatte. Ich glaube fast, es gab nur einen Mann, den sie ringsum akzeptierte - ihren um drei Jahre jüngeren Bruder, den Fürsten. Eisbär hatte sie ihn, als er noch ein Jüngling war, getauft. Nicht nur wegen seiner kraftstrotzenden Statur und seiner starken gelben Behaarung, mehr wegen seiner sonderlichen Angewohnheit: Von Jugend an nahm er nach Möglichkeit zu jedem Sonnenaufgang draußen im Freien sein Morgenbad, selbst bei Frost, wo er sich in zugefrorene Gewässer schon mal ein Badeloch schlug.
„Noch was nachschöpfen?“, neckte sie ihn jetzt, worauf Eisbär lachend seine leer gegessene Schale zurückschob. Unterdessen betrat, fröhlich grüßend, ein Schlossbewohner nach dem anderen den Speiseraum. Zunächst war es Hinrich, der behäbige Graf des hiesigen Maingaus gewesen, bald gefolgt von Prinzessin Silke, und anschließend erschienen die neunzehn Ratsdamen und -herren, die meisten mit Gatte und Kindern, wodurch es an den Tischen immer lebhafter wurde.
Draußen wurde es ebenfalls lebendig, man hörte es jetzt durch die offenen Fenster vom Main her Poltern, Rufen und Hämmern. Die Vorbereitungen für das Sonnwendfest, das heute zur späten Abendstunde eröffnet werden soll, gerieten in Gange. Nun erhob sich der Fürst, bat Waldur, ihn zu begleiten und verließ mit ihm den Saal.
Im Flur redete er seinem Sohn zu: „Noch etwas Geduld, Junge, Chlodwig ist doch erst gegen Mitternacht eingetroffen.“
„Ich kann doch jetzt rauf, ihn wecken, gell?“
„Nein“, hielt ihn der Fürst davon ab, „du lässt ihn ausschlafen. Geh lieber solange runter zum Main, den Leuten helfen, Chlodwig wird dich dort schon finden. Ich für meinen Teil muss mich jetzt umkleiden, die ersten Gäste werden bald eintreffen. Wir sehen uns dann am Abend auf der Insel. Aber sei pünktlich.“
„Ja, Vater, bis dann.“
Waldur wandte sich zum Gehen, und der Fürst sah ihm nach, wie er mit seinen stets so hoch ausholenden Schritten über den Flur stakste. Noch immer dieser Gang, trotz der Junkerausbildung, lächelte er und fürchtete, Waldur könne
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