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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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im Regensburger Kapuzinerkloster, zu dem er die Verbindung nie hatte abreißen lassen.
    Konrad von Monhaim entstammte einem verarmten Zweig seiner Familie aus dem Rheinischen. Der Krieg hatte die Sippe dermaßen gebeutelt, daß sich die Mitglieder in alle Himmelsrichtungen hatten verstreuen müssen, um ihr Auskommen zu finden.
    Der junge Konrad war etwa fünf Jahre nach Georg Straßmayrs Eintritt in Regensburg als Novize untergekommen. Er war ehrgeizig, hager und korrekt, blieb aber, da es ihm an Vermögen fehlte, einfacher Pater. Gereizt hätte ihn heimlich die Stelle des Abtes, doch die Tatsache, daß er so hoch niemals würde steigen können, hatte ihn frühzeitig gallig gemacht. Die Beichte pflegte er mit verkniffenen Lippen zu hören. Wohl absolvierte er die Sünder, notierte aber ihre Verfehlungen wie mit einem Griffel in seinem aufnahmefähigen Gehirn, und dort blieben sie eingegraben – jahrelang.
    Mit Georg Straßmayr hatte er gelegentlich disputiert. Jetzt, zum Prozeß, trafen die beiden Kleriker erneut zusammen. Neben seinem religiösen Amt war Konrad von Monhaim als Schriftführer vorgesehen.
    Der Jesuit, der Monhaims Anspruchslosigkeit kannte, quartierte ihn in der kargsten Zelle des Kollegiums ein. Dort breitete der magere Kapuziner seine Papiere aus, schnitt pedantisch einige Federn zu und legte, schwer lastend, ein Exemplar des Malleus Maleficarum auf das Pult. Eine Stunde nach seiner Ankunft in Straubing hatte Konrad von Monhaim bereits hochkonzentriert zu arbeiten begonnen. Mit ihm war das Inquisitionsgericht nun vollständig. Es sollte bereits wenige Tage, nachdem der Kapuziner zum ersten Mal mit dünnen Lippen im Protokoll über die Anklagen des Simon Hanndloß gelesen hatte, tagen.
    ***
    Als die Kerkerknechte die schwere Eichentür entriegelten, reagierten weder Katharina Grueber noch Christine Weinzierl. Christine lag, embryonenhaft klein zusammengekrümmt, im faulenden Stroh. – An die schwitzende Mauer gelehnt saß Katharina und wiegte sich kaum merklich. Aber bei jeder Bewegung stieß ihr Schulterblatt gegen eine Kante des Steins, und der dumpfe Schmerz, welcher dann in dieser längst blutig aufgeschürften Stelle zu pochen begann, verschaffte ihr das dumpfe Bewußtsein, noch am Leben zu sein. Mehr nahm Katharina kaum noch wahr – seit Tagen und Wochen nicht mehr. Nicht anders erging es Christine, die sich instinktiv in vorgeburtliches Beschütztsein geflüchtet hatte.
    Die Pechfackel eines der Büttel stieß in den stinkenden, höhlenartigen Raum: ein Tunnel aus Qualm und Licht, der vieles im Dunkeln ließ, dennoch nach einigem Herumirren, Gespensterflackern die beiden Mädchen erfaßte. Als der Schein ihre Augen traf, die seit Wochen kein Licht mehr gekannt hatten, zerrte dieser Schmerz Katharina und Christine ein Stück weit ins Leben zurück.
    »Pfui Teufel!« raunzte der Knecht, der den Gefangenen die Eisenfesseln zu lösen hatte. »Ihr stinkt schlimmer als die Säue!«
    Er atmete hinter zusammengebissenen Zähnen durch den Mund und beneidete seinen Kameraden, der unter der Tür geblieben war. Dann löste und riß er die Ketten von den Schellen an den Gelenken der Mädchen, warf das geschmiedete Gewirr klirrend neben die Pforte, stieß Christine in die zusammengekrümmte Leiste und befahl: »Hoch, ihr Hexenbrut!« Es gelang keinem der beiden Mädchen, auch wenn sie nun wieder wußten, wo sie sich befanden, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Sie wollten zwar hoch, konnten aber nicht auf die Beine kommen. Die Wochen der Kerkerhaft, das Verrotten bei lebendigem Leibe in der ewigen Dunkelheit, hatten sie nicht nur innerlich gebrochen. Auch ihre Körper waren dermaßen mit dem faulenden Stroh verklebt worden, daß die Mädchen jetzt lediglich auf allen vieren zur Pforte kriechen konnten, und auch das nur, weil der Büttel sie fluchend und mit Fußtritten trieb.
    Als sie draußen waren, riß der andere sie mit Gewalt hoch. Christine und Katharina taumelten gegeneinander, fanden mühsam Halt aneinander, und auf diese Weise gelang es ihnen schließlich, durch den Gang zu kommen, der aus dem Bereich der Verliese führte und über eine enge Treppe hinauf in hellere Bereiche der Fronfeste. Die halbblinden, verstörten Mädchen, die jetzt aber aussahen wie zu klein geratene alte Vetteln, schleppten sich diese Treppe hinauf, getrieben von derben Püffen und dem bösartigen Zischen der Pechfackel in ihrem Rücken.
    Droben trafen sie auf die beiden alten Grueberschen, aber auch diese waren

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