Die Hexe soll brennen
sich, zuckte konvulsivisch. Unter dem lautstarken Fluchen des Wernberger Grafen riß der Scharfrichter sein Schwert zum zweitenmal hoch, drosch im Kreisbogen zu, und jetzt wurde der Nacken Balthasars durchtrennt. Blut schoß in einer Fontäne aus dem sich noch einmal bäumenden Rumpf, auf gefrorener Erde kollerte mit entsetzt aufgerissenen Augen der Schädel. Soldaten sprangen herbei und schleppten Rumpf und Kopf zu einem der Pfähle. Der Rumpf wurde angekettet, der Kopf zwischen die Füße gelegt.
Auf dem Richtblock lag inzwischen Katharina.
Als sie den Bruder sterben sah, war sie zusammengebrochen. Der Sohn des Henkers hatte sie zum Klotz schleppen müssen. Der andere hatte eine Ohnmächtige angekettet. Das abirrende Richtschwert traf die Schulterblätter der Besinnungslosen. Der wahnsinnige Schmerz riß Katharina noch einmal ins Bewußtsein zurück. Sie schrie gurgelnd, als die Klinge in ihren Nacken fuhr, den Kopf dennoch nicht abschlagen konnte. Aber der Halswirbel war durchtrennt, sie spürte nichts mehr. Erst der dritte Hieb mit nun bereits stumpfer Klinge löste ihren Kopf ganz.
Auch Katharinas Rumpf und Schädel wurden zum vorbereiteten Pfahl getragen.
Während die Mönche ihre Litaneien schrillten, das Volk kreischte und jauchzte, stieß der Henker die Fackel in das Gefüge der Scheiterhaufen. Die Flammen schossen im harzigen Holz hoch, ließen Minuten später die angeketteten, kopflosen Körper sich bäumen und winden; schwärzten, verkohlten, verzehrten sie.
Der Graf von Wernberg wartete nicht ab, bis sie zu Asche geworden waren. Fluchend ritt er davon – es wurmte ihn, daß der Scharfrichter so stümperhaft mit seinem Schwert umgegangen war.
Scherer und Edlmar warteten, Branntwein trinkend, bis die Scheiterhaufen in sich zusammenfielen. Das war ihre Pflicht, und sie erfüllten sie, wenn auch zuletzt taumelnd.
Monhaim begann, noch während die Scheiterhaufen brannten, mit seinem Bericht an den Ordensoberen. Er stellte heraus, wie friedlich die Delinquenten dank der Gebetshilfe der Kapuziner in die Ewigkeit hatten eingehen dürfen.
Straßmayr, der Inquisitor, blieb bis zuletzt, als nur noch Asche und Knochen auf dem Feld bei Haidau schwelten. Unbeweglich stand er da bis zum Einbruch der Nacht, ließ sich von niemandem ansprechen. Sein fleischiges Gesicht blieb die ganze Zeit wie versteinert. Nur sein linkes Augenlid zuckte, zuckte, zuckte …
Wie von Sinnen, getroffen bis ins Mark, ritt irgendwann der Pfatterer Pfleger davon. Aber in der Tasche trug er eine bereits am Vortag geschriebene dritte Petition an den Kurfürsten zu München, in der er forderte, bat, flehte, dem Wahnsinn der Hexenverfolgungen ein Ende zu bereiten.
Kaspar Michel würde diese Depesche noch heute an die Residenz absenden.
Er hatte sein Teil dazu beigetragen, Katharina Grueber zu verurteilen, und er war zu schwach gewesen, um sie aus dem Verlies zu befreien, ihr das zu ersparen, was heute geschehen war. Doch von jetzt an würde er kämpfen. Den Scheußlichkeiten des Malleus Maleficarum würde er immer wieder – bis zu seinem Lebensende, wenn es sein mußte – das vernünftige Wort des Friedrich Spee von Langenfeld entgegensetzen.
Nachwort
Kaspar Michel, der feige und tapfere Pfleger von Pfatter, erlebte das Ende der Hexenverfolgungen nicht mehr.
Drei Tage nach Katharinas und Balthasars Tod brannte auf dem Haidauer Feld Gertrud Grueber; neben ihr hing Elisabeth Eckhin erwürgt am Pfahl. Am 16. Januar 1692 erlitt Johann Grueber dasselbe Schicksal. Am 23. Januar 1692 starben Benedikt Eckher, Wolfgang Weinzierl und dessen Tochter Christine.
In den Jahren 1710, 1740 und 1750 fanden in der Straubinger Gegend weitere Hexenprozesse statt; erst dann machte der Kurfürst dem Wahnsinn ein Ende. In anderen Gegenden Deutschlands erloschen die Scheiterhaufen erst eine Generation später. 1792 brannten sie noch einmal in Glarus, 1793 in Posen. Erst dann hatten Friedrich Spee von Langenfeld und dessen Mitstreiter endlich gesiegt.
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Schmerhaube: Ein rundes, den Scheitel deckendes Käppchen aus schwarzem Leder. ( Schmeller ).
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Ein Kopf: Bäuerliches Hohlmaß = 0,83 Liter.
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Dieser Grabstein kann noch in der Kirche von Wernberg-Köblitz bei Weiden besichtigt werden.
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Hexenhammer
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Agnes Bernauer, heimliche morganatische Ehefrau Herzog Albrechts III. von Bayern. Am 12. Oktober 1432 in der Donau ertränkt.
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Hübschlerin = Dirne
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Saufeder = Spieß zur Wildschweinjagd
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