Die Hexe soll brennen
geworden – nächtliche Besenritte der Klägerin dagegen; sogar auf dem Natternberg bei Deggendorf habe Christine mit dem Bocksfüßigen getanzt. Und die Vettel sei dabeigewesen und habe dem Teufel den After geleckt, heulte wiederum die junge Weinzierlin. Dasselbe hätte auch die Katharina getan, und der alte Grueber habe die Fidel dazu gespielt; die sei aus Menschenknochen gemacht gewesen.
Das Kreuzspinnennetz wuchs und gedieh. Die Angeklagten erkannten ihre wahren Gegner nicht mehr, gingen statt dessen aufeinander selbst los wie Furien. Einen wichtigen Faden zum Netz schoß der alte Grueber, als er angab, der Weinzierl sei es gewesen, der zuerst die Katharina zum Ausgraben von Kinderleichen auf den Geislinger Friedhof gebracht habe. Weiter im Netz verklebte sich dieser stiernackige Bauer, als er – mit gequälten Hoden auf dem spanischen Roß reitend – angab, dies sei nur geschehen, weil der Balthasar Grueber auf dem Leichenmahl bestanden habe.
Der wiederum schrie, unter dem Druck der Daumenschrauben, die Eckhin habe es ihm angeschafft, und daß der Teufel schon immer in deren Buckel gehaust habe. Das Kreuzspinnennetz wuchs und wurde dichter, klebriger und schleimiger. Der Eckher und er selbst seien schon stets Hexenmeister gewesen, winselte der alte Grueber, als man ihm die Schultergelenke zum nächsten Mal ausrenkte. Aus Bilsenkraut hätten sie mit den Weibern zusammen die Hexensalbe gemacht, auch aus Rattenknöchelchen und Leichenkot von Kindern, und alle zusammen seien sie aufgefahren in die unheiligen Nächte. Und es müsse auch der Eckher büßen, wenn er selbst büße.
Daraufhin hetzte der Jesuit, dessen Augenlid nun bei Tag und bei Nacht wild zuckte, den Pfleger wiederum nach Pfatter, um auch die beiden letzten Opfer ins Kreuzspinnennetz zu schleppen. Kaspar Michel gehorchte mit bleiernem Schädel, jagte erneut mit Knechten durch die Donaumarschen, fing den alten Benedikt Eckher und sein buckliges Weib Elisabeth ein. Kurz nach ihm kamen auch Edlmar und Scherer, räuberten die armselige Kate aus und brannten sie nieder. Vom Pfarrhof aus sahen die kleineren Grueberschen Bälge das Feuer. Felß, der jetzt sehr abgemagert war, wußte gegen ihr ängstliches Plärren nichts zu unternehmen.
In der Fronfeste ließ der Jesuit der Eckhin den Buckel mit glühenden Zangen zwicken. Daraufhin gestand auch sie, winselte auf alle Fragen ihre Antworten, so wie die Mönche es hören wollten. Der Buckel mit den schwärenden Brandwunden hing nun auch im Spinnennetz, und hilflos verstrickt daneben der gelbäugige Eckher. Den hatte sein Weib unter den Zangen schonungslos mitgerissen.
Doch dies alles ging nicht so schnell vor sich, wie es hier geschildert ist. Der Jesuit ließ sich viel Zeit und schien jede einzelne der Fragen, die er stellte, zu genießen. Oft verbrachte er Wochen mit einem einzigen Opfer. Es genügte ihm nicht, daß man ihm gestand, den Leibhaftigen unflätig geküßt zu haben – genau wollte er es wissen, kein einziges der satanischen Afterhärchen auslassen. Und was der Jesuit erfragte, hatte der Kapuziner zu notieren; Monhaim verbrauchte Gänsekiele dutzendweise und rührte wöchentlich frische Tinte aus Lampenruß und Ochsenblut an. Das Protokoll wuchs zu einem Berg.
Der Sommer des Jahres 1689 ging darüber hin. Als der Herbst aufzog, begannen die Gefangenen in ihren Verliesen zu frösteln, im Winter von 1689 auf 1690 sahen sie das Eis an den Steinmauern wachsen, wenn die Büttel mit Fackeln kamen, um einen zum Verhör, zur peinlichen Befragung, abzuholen. Und abtauen sahen sie dasselbe Eis erst im späten Frühjahr 1690, denn die Kälte saß tief im Gekröse der Fronfeste.
Vier Verliese waren jetzt besetzt, jedes von zwei Menschen behaust, und diese Menschen wurden immer weniger und geringer, je weiter das neue Jahr fortschritt. Diese Menschenleiber konnten wochenlang, monatelang auf dem immer fauliger werdenden Stroh modern, ehe man einen von ihnen abkettete, nach oben schleppte, das sowieso bereits gefallene Geständnis weiter untermauern, ausschlachten wollte. Dazu brauchte es jetzt nicht mehr viel – fast gar nichts mehr. Wenn die Eckhin bloß die glühend gemachten Zangen erblickte, wenn die Glut ihr bloß in die jetzt ewig tränenden Lider biß, dann lauerte sie auch schon gierig auf die neuen Fragen des Jesuiten, fiel ihm sogar ins Wort und unterbrach ihn, um nur ja seinen Forderungen zu genügen. Beim alten Weinzierl genügte der Anblick des spanischen Esels, mit den
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