Die Hexe und der Herzog
eine beachtliche Zahl dar, meines Wissens einzigartig unter den europäischen Fürstenhöfen der damaligen Zeit. Und er behandelte seine Abkömmlinge gut: Töchter wurden oft an Adelige oder reiche Bürger verheiratet, die Söhne, im Volksmund Hurenbuben genannt, traten später häufig in den geistlichen Dienst, manchmal nach jahrelangem Hofleben.
Es liegt ein gewisser Zynismus in der Tatsache, dass Sigmunds Ehefrauen ihm offenbar keine Kinder schenken konnten. Eleonora von Schottland hatte er bereits 1448 geheiratet und er scheint sich – bei allen Eskapaden seinerseits – bis zu ihrem Lebensende gut mit ihr verstanden zu haben. Eleonora galt als klug, war literarisch gebildet und hat ihrem »Sigi« seine zahllosen Amouren quer durch alle Stände wohl großzügig oder gleichgültig nachgesehen. Gleichzeitig mühten sich beide Eheleute redlich, den ersehnten Nachfolger zu zeugen; zahlreiche medizinische Behandlungen, Bäderkuren und horrende Arztrechnungen legen davon Zeugnis ab. Als Eleonora die vierzig bereits überschritten hatte, schien noch einmal die Hoffnung aufzukeimen, es könne endlich klappen, aber dann erlosch diese für immer.
Eleonora beschränkte sich als religiös und kirchlich gesinnte Fürstin von da an ganz auf soziale Anliegen und schaffte es, als Landesmutter Beliebtheit zu erlangen. Sie starb 1480 nach kurzer schwerer Krankheit (wohl an Krebs) und wurde in der neu errichteten Fürstengruft zu Stams begraben.
Jetzt musste und wollte Sigmund (seit 1477 im Rang eines Erzherzogs) sich wieder auf Freiersfüße begeben, denn noch immer stand der heiß ersehnte Erbe aus. Nach mehreren anderen Kandidatinnen entschied er sich für Katharina, Tochter des Herzogs Albrecht von Sachsen, ein junges Mädchen von gerade einmal sechzehn Jahren. Unter größtem Pomp und in Anwesenheit zahlreicher fürstlicher Prominenz wurde die Hochzeit nach mehreren, fast schon peinlichen Anläufen im Februar 1484 in Innsbruck gefeiert. (In meinem Roman habe ich dieses Ereignis aus dramaturgischen Gründen ins Jahr 1485 verlegt.) Keine ganz einfache Situation für die blutjunge Fürstentochter, die einen Ehemann vorfand, der vier Jahrzehnte älter und in Wahrheit wesentlich weniger wohlhabend war, als es die eifrigen Hochzeitswerber ihrem Vater versichert hatten. Zwar besaß der Erzherzog die schier unerschöpflichen Silberminen von Schwaz, wegen derer er auch die Münze von Meran nach Hall verlegt hatte, doch die Nutzungsrechte waren wegen seiner ständigen Schulden und finanziellen Engpässe längst an andere abgetreten. Es gab viele Gläubiger, nahezu überall prangte die schwarzgoldene Haspel, das Wappen der reichen Kaufmannsfamilie Fugger. Nutznießer war vor allem Jakob Fugger, der später in ähnlichen Angelegenheiten auch Kaiser Maximilian »aushelfen« sollte.
Bald schon fand Katharinas Vater heraus, wie die Dinge in Innsbruck wirklich standen, und er setzte sich dafür ein, dass die Haushaltung der jungen Erzherzogin standesgemäß war und vor allem die Arrangements bei einer möglichen Witwenschaft einigermaßen günstig ausfielen. Das trug nicht gerade dazu bei, um die Beziehung zwischen den beiden so unterschiedlichen Ehegatten besonders zu fördern. Katharina wurde beileibe nicht sofort schwanger, wie erhofft; dieser Wunsch blieb Sigmund auch in seiner zweiten Ehe versagt. Sie hatte zudem kein allzu großes Interesse an Politik, Wissenschaft oder Kunst, wenngleich ihr eine gewisse Findigkeit nachgesagt wird, was finanzielle Angelegenheiten betraf. Jagd und Reiterei scheinen sie interessiert zu haben – diesen Vorlieben aber frönte der Erzherzog lieber wie bisher in der Gesellschaft seiner Vertrauten. Das Zerwürfnis schritt weiter fort, als Katharina auch noch in Verdacht geriet, an einem hinterhältigen Giftanschlag gegen den Herzog beteiligt zu sein. Irgendwann vertrugen die beiden sich wieder, aber nach Sigmunds Tod im Jahr 1496 hat die Witwe noch im gleichen Jahr in zweiter Ehe den Herzog von Braunschweig geheiratet, was damals wie heute nicht auf allzu tiefe Trauer schließen lässt. Allerdings blieb auch diese Ehe kinderlos.
1484 ist auch das Jahr, in dem die päpstliche Bulle gegen die Hexerei veröffentlicht wurde ( summis desiderantes affectibus ), die der Dominikanermönch Heinrich Kramer – latinisiert Institoris – beim Papst erwirkte. Zum Inquisitor für Oberdeutschland ernannt, hatte er schon zuvor im Bodenseeraum zügig achtundvierzig Hexen auf den Scheiterhaufen gebracht. 1485 schickte
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