Die Hexe und der Herzog
anders ausgehen können. Hofmeister, wenn Ihr nun freundlicherweise einen Blick …«
Eine große Hand schob das Faltengesicht zur Seite.
»Gaffer kann ich bei meiner Arbeit nun mal nicht gebrauchen. Begebt Euch doch bitte schön mit dem verehrten Herrn Hofmeister nach nebenan, damit ich in aller Ruhe nach der Patientin sehen kann.«
Mühsam schielte Lena nach oben. Da war eine große Gestalt in einem blauen Mantel, daneben wuselte um einiges tiefer buntes Lumpengewirr, offenbar auch für das unaufhörliche Gebimmel verantwortlich, das ihren Kopfschmerz nur noch ärger machte. Sie vernahm empörtes Palavern, schließlich schwere und sehr leichte Schritte.
Dann war es still.
»Beweg dich nicht!«, hörte sie jemanden sagen. »Nicht, bevor ich dich gründlich untersucht habe. Uns solch einen Schrecken einzujagen!«
»Wo bin ich?«, flüsterte Lena. »Und wer seid Ihr?«
»In der Hofburg«, lautete die Antwort. »Und vor dir steht Cornelius van Halen, Medicus Seiner erzherzoglichen Hoheit, der herauszufinden hat, ob und inwieweit du verletzt bist. Hast du Schmerzen, Mädchen?«
»Mein Schädel brummt«, flüsterte sie. »Und ziemlich übel ist mir auch, wenn Ihr mich schon so fragt.« Ihre Hand fuhr zum Kopf. »Da ist ja lauter Blut!«, rief sie erschrocken. »Muss ich jetzt sterben?«
»Davon stirbt man nicht, ganz im Gegenteil, denn Blut reinigt die Wunde und verhindert, dass übel riechender Eiter sich einnisten kann. Leider wissen wir Heilkundigen noch nicht allzu viel über den menschlichen Körper, doch zumindest das wissen wir genau.«
Der erste Medicus ihres Lebens!
Wenn bisher jemandem in ihrer kleinen Familie etwas gefehlt hatte, war es stets Bibiana gewesen, die das passende Kraut aus ihrem winzigen Küchengarten hinter dem Gasthof zur Hand gehabt hatte, nie aber irgend so ein gelehrter Kerl. Sie hörte ihn ächzen und stöhnen, als sei jede Bewegung eine Anstrengung, und als es Lena schließlich gelang, halbwegs klar nach oben zu spähen, erkannte sie auch, weshalb.
Niemals zuvor war sie einem derart fetten Mann begegnet. Sein Körper war eine unförmige Masse, die den dunkelbraunen, samtbesetzten Talar schier zu sprengen drohte. Ein riesiger Bauch wölbte sich Lena entgegen; kein Hals war zu entdecken, dafür ein mächtiges Dreifachkinn, das in sich erzitterte, sobald er sprach.
»Das da über der Braue ist lediglich ein Kratzer. Um den kümmern wir uns später. Was mich viel mehr interessiert: Wie übel ist dir?« Er betastete ihre Schläfe mit seinen großen Händen, die zu Lenas Erstaunen zart wie Eiderdaunen waren. »Zum Kotzen übel gar?« Der Medicus klang äußerst interessiert. »Und antworte bitte so präzis wie irgend möglich!«
»Nicht ganz«, murmelte sie und versuchte, sich tapfer aufzurichten. Dabei schoss ihr ein ätzender Strahl vom Magen direkt in die Kehle. Lena erbrach sich auf ihr Kleid, und auch das Ruhebett, auf das man sie gelegt hatte, bekam einige Spritzer ab. »Verzeiht! Ich wollte nicht …«
Die großen weichen Hände drückten sie sanft wieder nach unten.
»Scheint mir, als habe dein Schädel doch ordentlich was abbekommen. Damit ist nicht zu spaßen, wenn du keine Schäden für dein junges Leben zurückbehalten willst. Vorsichtshalber hab ich dich hierher bringen lassen, in die Zirbelstube, damit dir zumindest das Atmen leichter fällt, aber ich fürchte, das allein wird nicht genügen.«
Er drückte ein Tuch fest auf ihre Braue und löste es erst nach einer Weile wieder.
»Das wächst schnell zusammen. Dein hübsches Gesicht wird nicht einmal eine Narbe abbekommen. Und jetzt wollen wir sehen, was wir sonst noch für dich tun können.«
Er schien in einer Art Behältnis zu kramen, denn sie hörte das leise Klirren aneinanderstoßender Flaschen. Dann spürte Lena etwas Kühles an ihrer Stirn. Ein frischer Geruch entfaltete sich, der ihr bekannt vorkam.
»Eine Tinktur aus Essig und gestoßener Zitronenmelisse – nach meiner Erfahrung das Beste gegen üble Kopfschmerzen. Zusätzlich werde ich dir meine Spezialmedizin aus Baldrian, Lavendel- und Johannisöl verabreichen. Außerdem musst du ein Weilchen ruhen. Danach sehen wir weiter.«
Sie hörte ihn erneut hantieren, dann half er ihr behutsam, sich ein Stückchen aufzurichten. Sein Blick war fürsorglich.
»Wie heißt du eigentlich?«
»Lena. Lena Schätzlin. Und ich muss den Herzog sprechen. Unbedingt!«
»Den Herzog, Mädchen?« Er gab einen schmatzenden Ton von sich, der belustigt klang. »Ja, das
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