Die Hexe und der Herzog
christlicher Tradition jeweils mit dem betreffenden Martergerät dargestellt werden (Barbara mit dem Turm, in den ihr erzürnter Vater sie sperrte, um sie vom Christentum abzubringen; Margarete mit dem Wurm/Drachen, in dessen Gestalt der Teufel sie verführen wollte; Katharina mit dem Rad, auf das man sie geflochten hatte, um sie zu foltern), ältere weibliche Gottheiten verbergen, die an vielen Orten im Alpengebiet bis weit in die frühe Neuzeit verehrt wurden?
Ich spreche von den drei Bethen, die auch die Ewigen Drei genannt werden. Tirol scheint eines der Zentren ihrer Verehrung gewesen zu sein; andere sind in Vorarlberg, der Schweiz, aber auch im Rheinland zu finden. Es würde den Rahmen dieses Nachworts sprengen, auf alle im Detail einzugehen; ich möchte dazu auf das sehr erhellende Buch von Ernie Kutter verweisen, das in den Literaturempfehlungen aufgeführt wird.
Vieles ist von diesen nicht bis in unsere Zeit erhalten geblieben, aber als eindrucksvolle Orte doch immerhin die Kapelle von Meransen in Südtirol sowie südlich von Schönwies im Weiler Obsaurs eine Kirche, in deren Nähe ein alter Kultplatz vermutet wird. Drei weibliche Gottheiten wurden dort verehrt:
Wilbeth, die Weise, der die Farbe Weiß und das Spinnrad (Rad) zugeordnet werden = Katharina.
Ambeth, die junge Frau und Göttermutter, der die Farbe Rot und die Lebensschlange (Wurm) als Symbol zugeordnet werden = Margarete.
Borbeth, der die Farbe Schwarz und der Turm als Symbol der Geborgenheit zugeordnet werden = Barbara, die zudem die Schutzheilige der Bergleute ist.
Diese göttliche weibliche Dreieinigkeit wurde sehr lange verehrt und womöglich, wie ja immer wieder in der Geschichte des Christentums geschehen, mit christlicher Symbolik gewissermaßen übertüncht. Mir erschien diese anhaltende und nachhaltige Verehrung der Weiblichkeit, für die im männlich geformten Christentum mit Ausnahme der Gottesgebärerin Maria so wenig Platz ist, ein wunderbares Gegengewicht zum Aufkommen des Hexenwahns und der systematischen Verfolgung von Frauen, auch wenn in Innsbruck oder Wilten keines dieser Denkmäler bekannt ist.
Heißt das aber zwangsläufig, es habe auch keines gegeben?
Die Vorstellung, dass Wilbeth, Rosin, Barbara, Hella, Els, Bibiana und Lena nach ihrer Rettung zu Füßen dieser drei Frauen beten (auch das Verb »beten« soll mit den »Bethen« etymologisch in Verbindung stehen) und anschließend ausgelassen zu ihren Ehren um ein großes Feuer tanzen, erfreut jedenfalls mein Herz …
Ausgewählte Literaturempfehlungen
Gerd Ammann (Hg.): Der Herzog und sein Taler , Ausstellungskatalog 1986
Andreas Blauert: Frühe Hexenverfolgungen . Ketzer-, Zaubereiund Hexenprozesse des 15. Jahrhunderts, Hamburg 1989
Heide Dienst: Lebendbewältigung durch Magie . Alltägliche Zauberei in Innsbruck gegen Ende des 15. Jahrhunderts. In: Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Wien 1987
Elinor Forster u. a.: Frauenleben in Innsbruck , Salzburg 2003
Monika Frenzel: Innsbruck . Der Stadtführer , Innsbruck 2008
Margarete Köfler/Silvia Caramelle: Die beiden Frauen des Erzherzogs Sigmund von Tirol , Innsbruck 1992
Heinrich Kramer (Institoris): Der Hexenhammer . Kommentierte Neuübersetzung, München 2003
Ernie Kutter: Der Kult der drei Jung frauen , München 1997
Karl Moser/Fritz Dworschak: Erzherzog Sigmund von Tirol – Die große Münzreform , Wien 1936
Margarete Ortwein: Der Innsbrucker Hof zur Zeit Erzherzog Sigmunds des Münzreichen . Ein Beitrag zur Geschichte der materiellen Kultur. Masch. Dissertation, Innsbruck 1936
Hansjörg Rabanser: Hexenwahn . Schicksale und Hintergründe, Innsbruck/Wien 2006
Oliver Sacks: Migräne , Hamburg 1984
Andreas Schmauder (Hg.): Frühe Hexenverfolgungen in Ravensburg und am Bodensee , Konstanz 2001
Danksagung
M ein herzlicher Dank gilt Dr. Monika Frenzel, Chefin des wunderbaren Führungsnetzes perpedes in Innsbruck und Wien, die mich auf den Spuren Herzog Sigmunds persönlich durch die Stadt Innsbruck begleitet hat und die in der Folgezeit ebenso kundig wie auch charmant all meine drängenden Fragen beantwortete. Siehe auch unter www.perpedes-tirol.at
Ein großes Dankeschön an Prof. Dr. Wolfgang Eckart, Universität Tübingen, der so tolle Details zur Wundheilung im Mittelalter beizutragen wusste – danke, lieber Wolf!
Wer könnte schon einen historischen Roman ohne die Hilfe kompetenter Gerichtsmediziner schreiben? Ich jedenfalls
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