Die Hexe und der Herzog
er sich an, in Innsbruck mit seinen menschenverachtenden Schauprozessen fortzufahren. In zündenden Predigten forderte er die Bevölkerung auf, »verdächtige« Nachbarinnen auf der Stelle zu denunzieren, denn sein perverser Hexenglaube konzentrierte sich ausschließlich auf das weibliche Geschlecht, in dem er die ianua diaboli , das Höllentor per se, sah. Bald schon gab es mehr als fünfzig Verdächtige, allein die Verdachtsmomente reichten letztendlich »nur« aus, um sieben Frauen als Hexen anzuklagen. Bei Hof verfolgte man das Verfahren mit Angst und größtem Interesse, da einige Personen des Hofstaates direkt und indirekt involviert waren; der Erzherzog selbst galt als besonders abergläubisch.
Eigentlich hätte nun ein weiteres der nur allzu bekannten grauenhaften Verfahren seinen Lauf nehmen können; allein in Innsbruck kam es ganz anders: Zum einen erwachte in der Bevölkerung Widerstand gegen den bornierten Hexenjäger, erfolgreicher Widerstand von unten, ein äußerst seltenes Phänomen in der deutschsprachigen Geschichte, was allein das Erzählen der Geschichte schon wert macht. Einfache Leute standen gegen den Hexenjäger auf, beschwerten sich und forderten ihre weiblichen Familienangehörigen zurück.
Und sie hatten Erfolg damit, denn Georg Golser, Bischof von Brixen und damit auch für Innsbruck zuständig, hatte bereits einen mehr als kritischen Blick auf das wüste Treiben des Dominikaners geworfen. Mit seiner Unterstützung gelang es dem tüchtigen Juristen Johann von Merwais, der die persönliche psychische Befangenheit des sexbesessenen Hexenjägers offenlegte, den Prozess wegen juristischer Formfehler zu stoppen: alle Frauen wurden freigesprochen, mussten allerdings schwören, Kramer nichts anzuhängen – er scheint sich ehrlich vor ihnen gefürchtet zu haben. Er selbst, der zunächst, auch nicht nach mehrfacher Aufforderung, keinerlei Anstalten machte, Innsbruck zu verlassen, wurde später aus der Stadt gejagt. Bischof Golser wurde in mehreren Briefen richtig massiv.
Kramer zog sich verbittert zurück (wohl in ein Augsburger Kloster, wie der heutige Stand der Forschung mutmaßt) und verfasste dort den sogenannten Hexenhammer ( Maleus maleficarum ), ein Werk, das neben Hitlers Mein Kampf zu den unheilvollsten Büchern der Weltliteratur zählt. Beide Autoren weisen übrigens unverkennbare Parallelen auf, was Psyche und Weltbild betrifft.
Interessant und mehr als aufschlussreich für die Person Kramers erscheint in diesem Zusammenhang, dass er sich als Mitautor auf Jakob Sprenger, ebenfalls einen Dominikaner und Inquisitor, berief, der an dem Werk jedoch keinen Anteil hatte und sich bis zu seinem Tod vergeblich immer wieder mit allen Mitteln gegen diese »erfundene« Autorenschaft zur Wehr setzte. Außerdem ließ Kramer die päpstliche Bulle mit abdrucken, die sein Werk »glaubwürdiger« und »echter« machen sollte.
1487 zum ersten Mal erschienen, wurde dieses scheußliche Machwerk, das die Grundlage für das Aufspüren, die Verfolgung, Aburteilung und schließlich grausame Ermordung von circa sechzigtausend Menschen, vor allem Frauen, in Europa bilden sollte, zu einem »Bestseller« und erlebte bis ins 18. Jahrhundert circa dreißig Auflagen. Viel Freude jedoch konnte der Autor an seinem Werk nicht haben; er starb um 1505 vollkommen von der Welt vergessen in Brünn (oder Olmütz).
Dichtung und Wahrheit
Der Herzog und seine Taler
Wie oben bereits erwähnt, habe ich historische Ereignisse aus den Jahren 1484 und 1486 aus dramaturgischen Gründen in das Jahr 1485 rück- beziehungsweise vorverlegt. Ersteres gilt für die Hochzeit von Sigmund und Katharina, die 1484 stattfand; Letztes für den Guldiner, die große, wertvolle Silbermünze, die ab 1486 in Umlauf kam. Die Grafen von Joachimsthal waren an dieser großen und wertvollen Münze sehr interessiert und haben nur wenig später den sogenannten Joachimsthaler in Sachsen prägen lassen, der später als Taler einen bis weit ins 18. Jahrhundert währenden Siegeszug durch Europa antrat. Sein Enkel, der Dollar, folgte ihm später nach.
Die Personen
Wirklich gelebt haben Herzog Sigmund, seine Frau Katharina sowie der Hofzwerg Thomele, wenngleich letzterer etwas später als erzählt. In den Gehaltslisten der Hofangestellten findet sich ein Niklas, Trumpeter. Ob auch er ein Sohn Sigmunds war, der viele seiner Bastarde als Musikanten beschäftigt hat, sei dahingestellt.
Auch der Hofmeister Leopold von Spiess ist eine historische
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