Die Hexe und der Herzog
sie, wenngleich die Reaktionen durchaus unterschiedlich ausfallen konnten. Den einen schoss der Geifer in den Mund, die anderen musterten sie eher verstohlen, dafür jedoch umso hartnäckiger, und selbst, wenn es während der heiligen Messe war. Alle jedoch träumten sie davon, sie zu berühren, zu liebkosen, zu besitzen.
Hella registrierte sehr wohl, was sie auslöste, machte jedoch kein großes Aufheben davon. Für sie schien es ganz natürlich, ähnlich wie Atmen, Essen oder Schlafen. Schließlich war es schon immer so gewesen, seit ihr Körper sich verändert hatte und aus einer mageren Kleinen, die nur aus Haut und Knochen bestanden hatte, eine strahlende Schönheit mit sinnlichen Rundungen geworden war. Mittlerweile hatte sie sogar gelernt, es zu genießen, einer Katze gleich, die sich wohlig in der Sonne räkelt und die Wärme mit jeder Faser in sich aufsaugt. Einer Katze freilich, die eigentlich schon längst nicht mehr frei herumstrolchen und die Werbung brünstiger Kater entgegennehmen durfte.
Denn obwohl sie ihr Haar offen trug wie ein lediges Mädchen, so war sie in Wahrheit doch längst vergeben. Dutzende hatten sich vergeblich um sie bemüht; warum sie unter den vielen Bewerbern allerdings ausgerechnet den Witwer Andres Scheuber erwählt hatte, von dem alle Welt wusste, wie heftig die Eifersucht ihn reiten konnte, war nicht nur Lena ein Rätsel. Dass er achtzehn Winter mehr als seine junge Frau auf dem Buckel hatte, machte die Sache nicht besser. Dazu kam, dass der Herzog ihn im letzten Herbst als Münzschreiber nach Hall berufen hatte, wo er seitdem nahezu unabkömmlich war.
Hella hatte sich mit Händen und Füßen gewehrt, Andres dorthin zu folgen, hatte bald die kranke Tante vorgeschoben, um die sie sich kümmern müsse, dann wieder ihre eigene labile Gesundheit, was ihr freilich niemand so recht abnahm. Zähneknirschend musste er sich fügen und allein zu seinem neuen Amt aufbrechen. Aber er hatte Vorsorge getroffen und schon bald damit begonnen, zu unangesagten Blitzbesuchen in Innsbruck einzufallen. So war es lediglich eine Frage der Zeit, wann Andres Scheuber seine junge Frau bei irgendeinem Leichtsinn ertappen würde.
Lena wurde ganz bang zumute bei der Vorstellung, was dann geschehen würde. Ihr hartnäckiges Schweigen jedenfalls schien die beabsichtigte Wirkung nicht zu verfehlen. Hellas rosiges Gesicht verriet Anzeichen erster Unsicherheit. Dann jedoch entschloss sie sich offenbar zum Angriff, ihrer bevorzugten Taktik, mit der sie schon manchen Sieg errungen hatte.
»Hast du den Herzog bereits sprechen können, Lena?«, fragte sie. »Denn darum ging es dir doch vor allem.«
Vorsichtig schüttelte Lena den Kopf. »Ein Vorhaben, das sich leider als schwierig erweist, viel schwieriger jedenfalls, als wir beide es uns ausgemalt haben.«
»Ritter von Spiess kann dir gewiss dabei behilflich sein. Das könnt Ihr doch, verehrter Herr Hofmeister?« Das Lächeln, das Hella dem Angesprochenen schenkte, war schmelzend.
»Das wäre in der Tat äußerst freundlich.« Lena nahm den Ball geschickt auf. »Ich würde auch nicht lange stören. Mein Anliegen ist einfacher Natur und in wenigen Sätzen vorgebracht.«
»Ich weiß nicht …« Er nestelte an seinem Mantel. Nicht zu übersehen, wie unangenehm ihm die Situation war.
»Bitte, lieber, lieber Leopold!« Wie ein übermütiges Kind flog Hella ihm an den Hals. »Wo Lena doch meine allerbeste Freundin ist. Helft mir dabei, ich flehe Euch an!«
Unbeholfen schob er sie zurück, verschlang sie dabei allerdings weiterhin mit Blicken. Lena hätte die Freundin am liebsten gepackt und ohne langes Federlesen aus dem Zimmer gezerrt, doch so kurz vor dem ersehnten Ziel konnte und wollte sie nicht aufgeben.
»Was willst du denn von Seiner Hoheit?« Zum ersten Mal sah er Lena direkt an. »Und sei ehrlich, das rat ich dir! Ich kann dich nur zu ihm lassen, wenn ich zuvor detailliert Bescheid weiß.«
»Gebt Euch keine Mühe! Mein Anliegen kann und werde ich nur dem Herzog selbst verraten.«
»Er kennt dich bereits?«
»Das könnte man so sagen.« Die Lüge ging Lena leicht und glatt über die Lippen. Manchmal konnte man nicht ganz bei der Wahrheit bleiben, das hatte Bibiana ihr beigebracht. Vorsichtshalber kreuzte Lena die Finger hinter dem Rücken und hoffte, dass der uralte Abwehrzauber die kleine Sünde noch lässlicher machte.
Der Hofmeister starrte sie an und runzelte die Stirn, dann schien er plötzlich zu verstehen.
»Ein ganz besonderes Anliegen
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