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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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»Andere, die keine Scheu vor Bauernpack haben.«
    Er drehte sich um, als sei die Angelegenheit damit für ihn erledigt, und verschwand so schnell aus der Zirbelstube, als sei er nichts anderes als eines ihrer merkwürdigen Traumbilder gewesen. Ein paar Augenblicke blieb Lena noch sitzen, dann nahm sie ihre Tücher und erhob sich mit einem kleinen Lächeln. Am Hof lebten und arbeiteten so viele Menschen. Da musste doch jemand zu finden sein, der ihr sagen konnte, wie sie zum Herzog kam!
    Der Flur, den sie betrat, war lang und schmal, einige Wandlichter erhellten ihn nur mäßig. Im Halbdunkel erkannte sie bunte, ein wenig grob gemalte Jagdszenen, die schon leicht verblichen wirkten, als sei die Farbe nicht mehr ganz frisch. Beherzt ging sie zunächst nach links, um alsbald auf gekreuzte rohe Bretter zu stoßen, die ihr den Weg versperrten. Angestrengt starrte sie in die Dunkelheit. Dahinter musste sich eine der zahllosen Baustellen verbergen, über die halb Innsbruck tuschelte. Badezimmer sollte es geben, echte Lavoirs. Einen mechanischen Aufzug, um das Essen kochend heiß aus der Küche im Erdgeschoß in die oben gelegenen Speisezimmer zu transportieren. Einen riesigen, getäfelten Tanzsaal. Man munkelte, Herzog Sigmund wolle seiner jungen Braut nicht nur mit seiner allseits gerühmten Männlichkeit imponieren, sondern auch mit einem prächtig ausgestatteten Schloss, für das weder Aufwand noch Kosten zu hoch sein konnten.
    Lena wandte sich in die andere Richtung. Eine Reihe geschlossener Türen, die sie abweisend anstarrten. Nicht ein Dienstbote war zu sehen, den sie hätte fragen können, geschweige denn der fette Medicus, der so freundlich zu ihr gewesen war.
    Plötzlich glaubte sie Stimmen zu hören, dann ein Lachen. Lena zögerte einen Augenblick, dann klopfte sie an die Tür vor ihr und öffnete sie einen Spaltbreit.
    Neben dem Kamin, in dem ein Feuer flackerte, stand ein Mann in einem blauen Mantel, der ihm halb über die Schultern gerutscht war. Vor ihm eine junge Frau in einem schlichten braunen Kleid. Haube und Umschlagtuch lagen auf dem Boden. Er hatte seine Hände in ihrem Haar vergraben, das wie ein Wasserfall aus Gold und Silber über ihren schmalen Rücken floss.
    Lena musste das Gesicht nicht sehen, um zu wissen, wer es war. Nur eine Einzige in Innsbruck besaß solches Haar. Seit sie sich kannten, beneidete Lena die Freundin darum.
    Die beiden fuhren zu Lena herum. Wie verbrannt zog der Mann seine Hände zurück, und sein blasses Gesicht färbte sich schamrot. Hella dagegen wirkte gelassen, als sei die Situation das Selbstverständlichste von der Welt.
    »Lena«, rief sie, »da bist du ja endlich! Und zum Glück munter und fidel wie ein Fisch im Wasser. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, doch der edle Ritter von Spiess war so freundlich, mir zu versichern, dass für dein Wohl bestens gesorgt wird.«
    Ihr selbst war es in der Zwischenzeit offenbar auch nicht gerade schlecht ergangen. Auf dem Tisch eine leere Weinkaraffe, Becher sowie Reste eines üppigen Mahls: abgenagte Entenknochen, Karpfengräten, die in gestockter Kräuterbutter schwammen, grobe Wildpastete, halb geleerte Schüsseln mit Schwarzwurzeln, Weinpanzen und süßem Mandelmus. Deftige, aber nicht sonderlich einfallsreiche Kost, wie Lena mit kritischem Blick feststellte.
    Schweigend trat sie einen Schritt näher.
    Hella hörte offensichtlich nicht auf, sich in Schwierigkeiten zu bringen, und was Lena hier vorfand, machte ganz den Eindruck, als sei die Freundin drauf und dran, alles nur noch brenzliger werden zu lassen. Sie hatte einiges getrunken, das erkannte Lena am Glitzern von Hellas Augen und der sanften Röte, die sich über ihren milchweißen Hals ergoss. Das Mieder stand halb offen und stellte ihre prachtvollen Brüste zur Schau, von deren Üppigkeit Lena nur allzu gern eine Handvoll abgehabt hätte. Aber sie war und blieb nun einmal klein, dünn und beinahe so dunkel wie Els, ihre Tante, und wie es auch Johanna gewesen sein musste, ihre verstorbene Mutter, an die die Erinnerung allerdings von Jahr zu Jahr schwächer wurde.
    Doch der Zauber rührte nicht allein von Hellas makellosem Aussehen. Da gab es etwas an ihrem Gang, an der Art, wie sie lächelte, den Kopf bewegte, die Augen niederschlug, etwas Kindliches, beinahe Unschuldiges, das erst recht bezwingend war. Ihre Wirkung auf Männer jedenfalls brachte Lena immer wieder zum Staunen. Kaum betrat Hella einen Raum, hatten alle Anwesenden des anderen Geschlechts nur noch Augen für

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