Die Hexe von Hitchwick
was ihr das bringen würde. Mrs. Cooper hatte sich geopfert, um dieses Mädchen in diese Welt zurückzubringen. Eve hatte ihren Platz eingenommen und nachdem, was Mrs. Cooper an Gemetzel angerichtet hatte, schätzte sie Eve noch ein wenig gefährlicher ein.
Nur warum? Warum schaltete sie Morgan dann nicht einfach aus? Sug hatten sie schon, wofür brauchten sie jetzt noch Morgan?
Noch immer starrten sich Morgan und Eve an, beide spürten den Kampfgeist der anderen. Das Wichtigste war im Moment, dass Sug wohlbehalten zurückkam, und zwar so schnell wie möglich.
Morgan traf eine Entscheidung, die ihr einen Stich versetzte. Sie senkte den Blick, steckte den Pflock wieder in die Schnalle und ging zurück zu Leonie.
Sehr gut, dachte Eve, beugte sich wieder hinab und trank weiter. Das warme Blut strömte durch ihren Körper, erfüllte sie mit Leben, Wärme und Genugtuung. Sie würde ihm nicht alles nehmen, das wäre zu einfach. Er sollte in Angst leben, einer Angst, die ihn nicht schlafen ließ, ihn zwang, ständig nach ihr Ausschau zu halten.
Morgan bemühte sich, Leonie den Blick auf die Geschehnisse zu verstellen. Leonie hatte nämlich aufmerksam den Weggang und die darauffolgenden Handlungen ihrer Halbschwester verfolgt. Doch konnte man von Aufmerksamkeit sprechen, wenn sowohl der Blick, wie auch der Gesichtsausdruck vernebelt schienen?
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Morgan besorgt und ergriff Leonies Arm.
Verständnislos sah Leonie Morgan an.
Wieso fragte sie das? Konnte sie denn nicht sehen, dass es ihr so gut wie schon seit über einem Jahr nicht mehr ging?
Sie war sich nicht sicher, ob sie jemals in ihrem bisherigen Leben so eine tiefe Ruhe empfunden hatte. Es war merkwürdig, was Eve mit ihrem Vater tat, allerdings war ihr Vater ein böser Mensch und so vertraute sie auf Eves Urteilsvermögen. Was auch immer sie tat, sie würde sicherlich das Richtige tun.
„Leonie? Kannst du mich verstehen, ist alles okay mit dir?“, fragte Morgan und schüttelte das Mädchen leicht.
„Aber ja, es geht mir gut.“
Morgan bezweifelte, dass dies der Wahrheit entsprach, Leonie schien sich in einer Art Trance zu befinden oder in einem Schockzustand. Das gefiel Morgan genauso wenig, wie die Tatsache, dass sie immer noch direkt neben dem Pentagramm stand. Es war besser, sie ein Stück wegzuführen, sie aus dem Gewölbe zu bringen.
„Bist du bereit Leonie?“
Morgan wandte sich um, hinter ihr stand Eve. Gerade noch hatte ihre Haut die Farbe von Alabaster gehabt, nun waren ihre Wangen rosa gefärbt. Man konnte das Leben förmlich durch ihren Köper pulsieren sehen.
Leonie antwortete, indem sie an Morgan vorbei ging, sich zu ihrer Halbschwester stellte und leicht nickte.
„Gib mir deine Hand. Ich brauche einen Tropfen deines Blutes. Ist das für dich akzeptabel?“
„Nein!“, schritt Morgan ein.
Beide sahen sie überrascht an. Leonie verstand nicht, warum Danby reagierte, als würden sie etwas Schlimmes tun. Eve hingegen hatte geglaubt, dass sie ihren Standpunkt deutlich gemacht hatte.
„Du kannst nicht erwarten, dass ich tatenlos zusehe, wie du ihr Blut benutzt.“
„Ich denke schon, dass ich das kann. Ihr wird nichts geschehen. Nur einen winzigen Tropfen Blut aus ihrem Finger, mehr braucht es nicht“, sagte Eve, ergriff blitzschnell die Hand ihrer Schwester und stach mit dem Dolch ihres Vaters in Leonies Zeigefinger.
Morgan schlug nach dem Dolch, doch es war schon zu spät.
Vom Finger, den Eve über das Pentagramm hielt, fiel ein einzelner Tropfen Blut. Ein leises Knistern ging von dem Drudenfuß aus, der sich ein weiteres Mal neu formierte, seine Zeichen veränderte und neu anordnete, als ihn das Blut berührte.
„Ich denke, das können wir in einem Abwasch erledigen. Nun brauche ich Euer Blut.“
„Meins?“
„Leonies zur Formgebung, Eures als Tauschmittel oder als Trinkgeld, für die gute Behandlung, die Eurer Sug zuteilwurde“, erklärte Eve und streckte Morgan ihre Hand entgegen.
Noch vor wenigen Stunden, oder waren nur Minuten vergangen, oder vielleicht doch Tage, sie hatte keinerlei Zeitgefühl mehr, war Morgan bereit gewesen, mit ihrem Blut Jasmine zurückzuholen. Jetzt schrie alles in ihr, es nicht zu tun. Sie hatte schon unfreiwillig Beihilfe geleistet. Der Unterwelt freiwillig auch noch Blut spenden, das ging zu weit, obgleich sie keine andere Wahl hatte. Mit Sicherheit würde sie Sug nicht der Unterwelt überlassen. Sie musste tun, was auch immer notwendig war, um Sug zu befreien.
Weitere Kostenlose Bücher