Die Hexe von Hitchwick
einem Wohlwollenden und schritt dann durch den Raum, direkt auf Mr. Smith zu.
Erst jetzt bemerkte Morgan, dass jemand fehlte. Voller Beunruhigung blickte sie sich um.
Kein Higgins.
Er hatte sich aus dem Staub gemacht. Ihr erster Impuls war es die Verfolgung aufzunehmen, doch ihr Verstand gebot ihr zu bleiben, wo sie war. Sie durfte Leonie nicht alleine lassen.
Darauf bedacht, nicht in die Pfütze aus Blut zu treten, schritt Eve vorsichtig um ihren Vater herum.
„Mein geliebter Vater, wie ich Euch vermisst habe“, sagte Eve, während sie sich vor ihn hinkniete.
Liebevoll streichelte sie über seine Wange. Ein Stöhnen entwich seinen Lippen, seine Augen öffneten sich blinzelnd. Er brauchte einige Sekunden, bis er sie erkannte, bis sein Mund stumm ihren Namen formte.
„Ja geliebter Vater, ich bin es, Eure Tochter Eve. Mrs. Cooper ist gegangen und ich bin an Ihrer statt wiedergekommen. Ihr Platz ist jetzt der Meine . All das wäre nicht möglich, wenn Ihr mich damals nach London kommen, oder mich nicht opfern lassen hättet. Eure Tat hat mich zutiefst verletzt und lange Zeit war ich sehr verstimmt darüber, bis mir bewusst wurde, welches Geschenk ich dadurch erhalten habe. Nichtsdestotrotz war es nicht richtig von Euch, obgleich ich Euch vergeben will, denn Ihr werdet es jetzt wiedergutmachen.“
Die Worte schwirrten durch den Raum, brauchten eine Ewigkeit, bis sie Morgan erreichten. Eine Ewigkeit, in der sich Eve hinabbeugte, einen Kuss auf des Vaters Wange drückte und dann ihre spitzen, dolchartigen Eckzähne in seinen Hals rammte.
Das leise, saugende Schmatzen traf vor den Worten in Morgans Verstand ein, löste einen Reflex aus. Sie zog den Pflock, stürmte los, bereit Eve von Mr. Smith zu verscheuchen.
„Wo ist Sug?“, fragte Eve, die ihren Kopf ein wenig gehoben hatte.
Wie ein Zauberspruch traf sie der Name ihrer Freundin und ließ sie erstarren.
„Was habt ihr mit Sug gemacht?“
„Nichts Schlimmes. Ihr könnt beruhigt sein, es geht Eurer Freundin gut. Die Frage sollte nicht lauten; wie geht es ihr, sondern wo befindet sie sich ?“
„Sag es mir!“, zischte Morgan.
„Sie ist bei Freunden von mir. Sagen wir, sie dient als Absicherung.“
„Absicherung?“
„Es war unabdingbar bei dieser Sache Hilfe von Außen anzunehmen. Ihr habt wunderbar mitgemacht, bis jetzt. Aus diesem Grund haben wir Eure geliebte Freundin in Gewahrsam genommen. Wir mussten sichergehen, dass Ihr uns uneingeschränkte Unterstützung gewährt. Wollt Ihr sie also wohlbehalten zurückbekommen, dann müsst Ihr hinnehmen, was ich tue. Ihr greift nicht ein, nicht an und Ihr werdet meinen Anweisungen Folge leisten. Ich brauche Kraft und mein Vater ist so liebenswert mir diese zu geben. Das hier ist eine Sache zwischen Vater und Tochter, eine Familienangelegenheit, also bitte mischt Euch nicht ein“, sagte Eve und sah Morgan fest in die Augen.
Ein Kampf tobte in Morgan, ihr Herz hatte seinen Schlag beschleunigt, ihre Nasenflügel zitterten vor Wut. Nachdem sie fast jemanden erschossen hatte und den blutenden Mr. Smith einfach hatte liegen lassen, kam ihr diese Situation wie Hohn vor. Nach impulsiven Handlungen sollte sie sich jetzt ganz bewusst dafür entscheiden, jemand nicht zu helfen. Das Schlimmste war die Tatsache, dass ihre Entscheidung schon längst feststand. Sie hätte gehofft, die Prinzipien der Gesellschaft seien so tief in ihr verankert, dass sie zumindest einen moralischen Kampf ausfechten müsse, doch der Kampf, der in ihr herrschte, war anderer Natur. Es waren ihnen schon einige Dinge untergekommen, allerdings waren sie noch nie für die Pläne der Unterwelt missbraucht worden.
Es war unglaublich. So unglaublich, wie die Behauptung, das andere Reich hätte Sug.
Sorge und Angst breiteten sich schmerzhaft in Morgans Brust aus. Ich hätte sofort nach ihr suchen sollen. Es kam mir gleich merkwürdig vor. Ich hätte alles dafür tun müssen, aus dem Haus der Smith zu entkommen.
Eine leise, vernünftige Stimme flüsterte ihr zu, dass sie Sug wohl kaum gefunden hätte.
Irgendwo in der Unterwelt saß sie, oder stand, oder lag oder hang. Es war ein unerträgliches Gefühl für Morgan nichts tun zu können, sie musste auf das eingehen, was Eve forderte. Da kam ein anderer kämpfender Teil von ihr ins Spiel.
Man verhandelt nicht mit Erpressern .
Alles in ihr wehrte sich dagegen, Anweisungen einer mittlerweile dämonischen Jugendlichen entgegenzunehmen.
Sie konnte versuchen Eve anzugreifen, nur sah sie nicht,
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