Die Hexe von Paris
für den Monat gemietet, so wie meine, Droschken und Sänften, nur für diesen Abend gemietet von Bittstellern, die verzweifelt darauf bedacht waren, Eindruck zu machen. Hier konnte einen das Glück ereilen: die richtige Begegnung, die günstige Gelegenheit, und man war seiner Sorgen ledig. Wir sind eine Nation von Höfen, dachte ich: Die großen Adeligen, welche den König umringen, um sich seiner Gunst zu versichern, haben kleine Adelige, die ihnen aufwarten; die kleinen haben noch kleinere, die bei ihren levées um sie herumstehen.
Und hier in der Rue Beauregard ist der Hof der Lüsternen, der Falschen, der Abergläubischen, die in die Verdammnis taumeln. Wirklich kein großer Unterschied zum großen Hof. Lauter Parasiten. In welchem Gefährt mochte Brissac gekommen sein, nachdem er sein letztes Hemd versetzt hatte?
La Voisins Haus war für den Abend verwandelt worden; man hatte die Flügeltüren zwischen dem schwarzen Salon und den inneren Räumen aufgestoßen, so daß ein großer Saal entstand. Reihen von Kerzen leuchteten auf den mit Köstlichkeiten überladenen Tischen. Violinklänge drangen vom Garten herein, wo die mit Lampions geschmückten Zeltplanen einen großen Tanzboden überdachten, der für diesen Abend zwischen Haus und Pavillon angelegt worden war. Ich verursachte einen Aufruhr, als ich an der Türe angekündigt wurde. Selbst die gelangweiltesten Höflinge, die an alles gewöhnt waren, sahen von den köstlich beladenen Tafeln auf. Da war ich, eine extravagante, exotische kleine Gestalt mit dem großen, von einer silbernen Spitze gekrönten Spazierstock, der ein mit einem Turban gekleideter Heide die Schleppe trug und deren Zofe ein schwerbewaffneter Riese von Leibwächter folgte. Ich hatte mich selbst übertroffen.
»Marquise, Ihr seht – verändert aus«, stammelte La Pelletier. Abbé Guibourg, dem das Essen aus dem Mundwinkel sickerte, blickte auf und grinste lüstern. Rings um mich wich man zurück, als ich durch die Menge schritt. Hochachtung, Furcht, Ehrerbietung. Denn ich kannte die Zukunft, ich wies das Schicksal zu. Vor allem aber mußte man mich gewogen machen, denn wenn ich Königin würde, wer konnte sagen, wessen Geschick, wessen Leben ich eines Tages in der Hand haben mochte? La Voisin, blendend in flammenfarbenem Satin und Diamanten, hielt unter dem gestreiften Zeltdach hof. Ihre Bittsteller und Schmeichler machten mir Platz, als ich mich näherte.
»Madame«, sagte ich mit einer tiefen Verbeugung, »Euer Abend ist gar köstlich, und es ist mir eine Ehre, hierzusein.« Sie nickte beifällig angesichts meines Geschmeides, meines Gefolges und der roten Rose.
»Meine liebe Marquise, nie habt Ihr strahlender ausgesehen. Ich nehme an, Ihr habt bereits mit Duc de Brissac Bekanntschaft gemacht?« Brissac, den dunklen Bart ungeschoren, in mottenzerfressenen blauen Samt gekleidet und mit einer riesigen Hofperücke nach der vorjährigen Mode angetan, lüftete seinen Federhut und bekundete sein Vergnügen und seine Überraschung, mich wiederzusehen. Ich werde heute abend mein Spiel mit Euch treiben, dachte ich, als ich seine Aufforderung zum Tanz zurückwies und meinen Fächer vor meinem Busen entfaltete, eine Geste, die soviel wie »seid diskret« bedeutete.
»Das ist ein Vergnügen, dem ich vor Jahrzehnten entsagt habe«, beschied ich ihn und schob meinen Fächer fast ganz zusammen, was »sittsame Zweisamkeit« bedeutete, indes ich ihn mit geneigtem Kopf aus den Augenwinkeln ansah. »Tanzen zerstreut die Energien des Geistes, und ich ziehe es vor, meine Kräfte zu sammeln.« Ich schloß den Fächer vollends und hielt ihn zu meiner Rechten: »Wir müssen uns ungestört unterhalten.«
»Eure Kräfte sind nur der blasseste Schatten Eurer Schönheit«, murmelte er, als wir uns von der Schattenkönigin entfernten und zur Grotte gelangten. Der Brunnen plätscherte eine melancholische Weise, indes wir uns auf eine schlichte Bank vor dem verborgenen Ofen setzten. Ein seltsamer Ort: aus weißem Marmor, von Efeu umrankt, eine Manufaktur für die Zulieferer in Madames »Philanthropischer Gesellschaft«. Eine passende Szenerie für die Verführungskünste eines Satanisten. Nach einer Anzahl dümmlicher Schmeicheleien über meinen weißen Busen und meine elfenbeinfarbenen Hände krochen seine Finger zu meinem Hals. Es ist etwas Widerwärtiges um die Berührung eines Mannes, wenn er unaufrichtig ist – seine Finger fühlen sich an wie Eidechsen. Ich wich vor dem warmen, fauligen Geruch seines Atems
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