Die Hexe von Paris
niedergeschlagener Miene davonschlurfte, führte Madame mich in ihr Kabinett.
»Schon wieder ein Darlehen«, sagte sie seufzend. »Ach, mir scheint, ich ernähre die ganze Welt. Wenigstens machst du deine Sache gut. Ich höre neuerdings auf Schritt und Tritt von dir. Hast du deine Abrechnung mitgebracht?«
»Selbstverständlich, Madame.«
»Meine Güte«, bemerkte sie lächelnd, als sie die Seiten meines kleinen grünen Rechnungsbuches umblätterte, »du kommst viel besser voran, seit du diese Menagerie aus der Provinz nicht mehr ernähren mußt. Und du handhabst deine anderen Unkosten vorzüglich – ein guter Fortschritt! Wenn du in diesem Maße weitermachst, wirst du das Haus bald abbezahlt haben. Das kommt daher, daß du meine guten Ratschläge befolgst – nicht wie diese törichte La Lepère. Ich vermittle ihr so gute Geschäfte! Und wer hat ihr die Stellung in La Filiastres Etablissement verschafft, mit einem eigenen Zimmer? Und ich berechne so wenig für die Nutzung meiner – äh – Einrichtungen. Aber sie versteht nicht, ihre Unkosten zu handhaben! Dann muß ich mir ihr Gejammer anhören – oh, sie nimmt überhaupt kein Geld ein. Natürlich nicht. Bei jedem einzelnen besticht sie einen Totengräber, es in einem vergessenen Winkel eines Kirchhofs zu begraben. Geweihte Erde, wie rührselig! Und jetzt mußte ich ihr schon wieder ein Darlehen gewähren. Was bin ich doch für ein Schwächling, wie, Marquise? Aber ich sorge stets für meine Leute.« Sie ist im Begriff, mir einen »Rat« zu erteilen, den ich besser befolge, dachte ich.
»Seit neuestem halte ich sehr große Stücke auf dich.« Sie lächelte mütterlich. »Du hast großes Talent fürs Geschäft. Du wirst niemals ein trübsinniges altes Weib werden wie La Lepère. Nächste Woche gebe ich ein kleines Fest, um die Rückkehr des Hofes zu feiern. Im Freien, wenn das Wetter schön bleibt. Ich habe noch so viele herrliche Blumen im Garten! Und der neue Brunnen mit der kleinen Statue bringt meinen Pavillon vorzüglich zur Geltung.« Sie erhob sich und deutete auf das kleine Fenster des Kabinetts. Draußen im Garten plätscherte der Brunnen inmitten von üppigen Farnen und den letzten Sommerlilien. Ein kleiner Putto mit einem Wasserkrug spritzte Wasser auf seine patschigen Füße. Die weißen Säulen des klassischen Pavillons schimmerten golden in der Nachmittagssonne. Der Kamin des darin befindlichen Ofens stieß schwarzen Rauch aus. »Die Geschäfte bei Hofe sind nie besser gegangen«, sagte sie und blickte liebevoll auf die schwarze Rauchsäule, die in den blauen Himmel über der Stadt aufstieg.
»Ein herrliches Fest«, sagte sie leichthin und wandte sich vom Fenster. »Viele wunderbare alte Freunde. Du wirst in den nächsten Tagen eine Einladung erhalten. Die meisten Gäste wirst du kennen, denke ich. Viele von uns, etliche von ihnen, und selbstverständlich Klientel und einige ausgesuchte Studierende der okkulten Wissenschaften. Violinen natürlich, und es wird die ganze Nacht getanzt – oh, mach nicht so ein entsetztes Gesicht! Was glaubst du, wo wir tanzen? Auf dem Blocksberg? Nackt? Ich bitte dich –«, und sie fuchtelte verächtlich mit der Hand, »ich mag eine Hexe sein, aber ich bin stets zuerst Pariserin. Mein Kleid wird morgen abend von den Stickerinnen geliefert, meine Violinen werden die allerbesten sein – das Orchester von Monsieur ist an dem Abend frei. Und meine Gästeliste – sehr erlaucht. Höflinge in großer Zahl. Brissac wird hier sein. Ich wünsche nicht, daß du die Gelegenheit versäumst, mit ihm zu parlieren. Du wirst sehen, er ist ein ungemein vornehmer Herr – überaus präsentabel. Ein vorzüglicher Gemahl für eine Frau, die mit ihm umzugehen versteht.«
»Mit Verlaub, Madame, ich wünsche so sehr einen Gemahl wie ein Frosch einen Kammerdiener.«
»Ha! Wie geistreich. Kein Wunder, daß du so großen Erfolg hast.« Sie ließ ihr kleines Lachen ertönen, als sie wieder auf ihrem Lehnstuhl Platz nahm, während sie mich stehen ließ. Das kurze Aufflackern von geheuchelter Zufriedenheit machte mich frieren. »Aber meine Liebe«, sagte sie nachsichtig, »du magst dir keinen Gemahl wünschen, aber du brauchst einen. Nun sei so gut und nimm Platz.« Sie wies auf den schmalen Stuhl ohne Armlehnen an ihrem Schreibpult. Ich setzte mich kerzengerade hin. »Wirklich, Ehemänner stören in keiner Weise«, sprach sie weiter, indes sie sich in behaglicher Vertraulichkeit vorbeugte. »Sie sitzen herum, sie unterzeichnen
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