Die Hexe von Paris
dich bezahlt? Brissac oder La Voisin?«
»Oh, beide«, sagte sie gelassen, »aber da ich getreu zu Euch stehe, will ich es Euch nicht verbergen. Meine Meinung ist, nehmt Brissac, vergnügt Euch mit ihm und vergeßt die anderen.«
»Ich dachte, Brissac sei wütend auf mich.«
»Ach, das ist vorbei. Jetzt sucht er sich Nevers' Gunst wieder zu erschleichen. Aber er muß sich an den richtigen Orten sehen lassen, Ihr wißt schon – er muß gut ausstaffiert sein, ein paar neue Bonmots kreieren, kleine Gefälligkeiten erweisen –«
»Und für all das braucht er Geld. Wenn ich ihm also ein neues Habit kaufe, einen Dichter engagiere und seine Spielschulden begleiche, wird er mich an Stätten geleiten, wo ich nicht sein will, um mit Leuten zu verkehren, die ich nicht leiden kann. Das ist kein gutes Geschäft, Sylvie.«
»Aber – eine Herzogin – Ihr könntet einen erlauchten Titel haben, selbst wenn Brissac bankrott ist.«
»Mache dir nichts vor, Sylvie. Solange er hofft, aus der Familie der gegenwärtigen Herzogin auch nur einen Sou herauszuquetschen, wird sie bei guter Gesundheit bleiben. Und sobald er frei ist, wäre mein einziger Nutzen für ihn, ihm Geld zu verschaffen, damit er einem anderen hohen Geblüt nachstellen kann.«
»Aber Madame sagt, er ist schwach geworden. Er hat ihr gestanden, daß er eine heimliche Heirat in Erwägung ziehen würde.«
»Und was würde mir eine heimliche Heirat nützen? Das ist etwas für törichte Mädchen, die vorgeben wollen, sie seien nicht verführt worden. Ich benötige den Schutz einer anerkannten Ehe und seinen Titel, so zweifelhaft er auch sein mag. Er muß mich für einen Einfaltspinsel halten.«
»Aber sagt wenigstens, daß Ihr es Euch überlegen werdet. Dann brauche ich Madame nicht zu belügen.« Ihre Miene war ernst.
»Nun gut, ich habe es mir überlegt. So. Und jetzt sage mir, wer wird heute abend auf La Voisins Silvesterfeier sein? Brissac?«
»Selbstverständlich. Aber Madame hat auch die vortrefflichsten Violinspieler engagiert. Und es gibt Rebhühner und ein Spanferkel, und auch Hammel und Schinken.«
»Oh, wenn es Rebhühner gibt, fehlt es wirklich an nichts.«
»Das habe ich Madame auch gesagt, und sie sagte, ich sei ein verfressenes Frauenzimmer und es wundere sie, daß ich Euch nicht schon die Haare vom Kopf gegessen habe. Sie sagte außerdem, Ihr sollt das altmodische Schwarze anziehen, mit dem Mieder mit der Jettperlenstickerei. Ihr könntet einige wichtige neue Klienten gewinnen. Marquis de Cessac kommt mit seinen Freunden. Und ein italienischer Bischof, der gerade in der Stadt ist. Madame sagt, Ihr müßt Euch ausländische Verbindungen schaffen, wenn Ihr aufsteigen wollt.«
Als ich eintraf, war das Fest bereits in vollem Gange. Durch die vereisten Fenster flimmerten helle Lichter, und wann immer die Türe sich auf die verschneite Straße öffnete, waren Geplapper und Gelächter zu hören. Zwischen den dichtgedrängten Kutschen bahnte ich mir einen Weg zum Eingang, unmittelbar hinter einer maskierten Schauspielerin und ihrem neuesten Begleiter.
»Ei, das ist Madame de Morville, die Wahrsagerin! Habe ich Euch nicht gesagt, alle, die interessant sind, werden heute abend hier sein?« quiekte eine geckenhafte Stimme hinter mir. Ich nickte einem maskierten Herrn mit Diamantohrringen und in Frauenkleidern freundlich zu. Er stützte sich auf einen geschminkten Begleiter, dessen Kinn unter der schwarzen Samtmaske ein sternenförmiges Schönheitspflästerchen zierte. Die Clique von Monsieur. La Voisin hatte recht. Es würde ein guter Abend fürs Geschäft werden. Ich drehte mich um und verneigte mich gemessen in Richtung eines berühmten Satanisten. Jetzt waren durch die geöffnete Türe Violinenklänge zu hören.
»War das Stück nicht verheerend? Wirklich, mein Lieber. Die besten Logen leer, von der Herzogin aufgekauft, und diese riesenhafte Schauspielerin mit der unförmigen Nase. Amüsant war nur der Empfang hernach, auch wenn Racine fortgegangen war, um zu schmollen.«
»Ungemein geschmacklos –«, hörte ich den Mann mit den sternenförmigen Pflästerchen erwidern. Den Rest bekam ich nicht mehr mit, denn ich trat nun in das Gedränge im schwarzen Salon, der von Kerzenlicht erstrahlte.
»Achtung!« hörte ich Mustafas warnende Stimme, als ein betrunkener Herr mit verrutschter Perücke beinahe über meine Schleppe fiel.
»Ei, das ist ja Madame de Morville!« Comte de Bachimont schwenkte seinen Hut zum Gruße und riß sich dabei fast die
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