Die Hexe von Paris
Perücke herunter.
»Oh, Monsieur de Bachimont, es freut mich, Euch wieder in Paris zu sehen. Das Geschäft mit der Alchimie blüht und gedeiht, wie ich höre?«
»Es übersteigt meine kühnsten Träume, liebe kleine Prophetin. Und Ihr – Ihr seid nun die eleganteste Wahrsagerin von Paris, unsere verehrte Gastgeberin natürlich ausgenommen.« Kein geeigneter Gesprächsstoff für dieses Haus. Ich wechselte das Thema.
»Und Ihr, Monsieur de Bachimont, wart auch Ihr heute abend in der Aufführung von ›Phaedra‹?«
»Die hätte ich um nichts in der Welt versäumen mögen. Das Stadtgespräch. Schließlich hat uns Racine seit Jahren ein Meisterwerk versprochen. – Ein Mißerfolg. Verheerend. Die Duchesse de Bouillon hatte die besten Logen aufgekauft, damit sie leer blieben. Ich konnte vor lauter Buhrufen die Verse nicht verstehen – ihre Claqueure müssen das halbe Parkett gefüllt haben. Pardon, Madame –« Und er torkelte hinaus, um an die Mauer zu urinieren. Ich vernahm ein leises Kreischen, als ein Edelmann mit Samtmaske seine Hand in das Décolleté einer Schauspielerin versenkte.
»Hihi, ich bitte um Vergebung, Mademoiselle, ich glaube, ich habe meine Auster verloren.«
»Wenn Ihr meine Brust nicht von einer Auster unterscheiden könnt, seid Ihr vollkommen verrückt. Nehmt Eure Hand aus meinem Kleid, und laßt Euch La Voisins Arznei gegen die italienische Seuche geben. Ich werde vom Marquis de Termes beschützt.«
»Nur von dem? Den fordere ich.«
»Ein Duell, entzückend!« quietschte der Mann im Frauenkleid.
Am Buffet schob Abbé Coton Gebäck in seine Taschen. Guibourg, überaus finster und muffig, war mit dem Mann mit dem sternenförmigen Pflästerchen in ein Gespräch vertieft.
»Die schwarzen Kerzen, Ihr versteht, müssen exakt dieselben Abstände haben, sonst ist die Anrufung des Teufels vergebens – Bachimont ist ein Dilettant. Es ist höchst gefährlich, keinen Fachmann zu konsultieren –«
»Ah, hier ist die zeitlos reizende Madame de Morville, welcher die Jahrhunderte nichts anhaben können –« Brissac. Zusammen mit La Voisin, die ihn zu mir führte, und seinem Günstling de Vandeuil, der im Hintergrund lungerte. Ich lächelte, doch nicht zu sehr. Brissac grüßte mich mit einer formvollendeten Verbeugung. Er trug einen neuen Hut, aber denselben Samtrock mit der angelaufenen Goldtresse und den versengten Stellen, die daher rührten, daß er bei einem Versuch, sich im Teufelskult zu üben, zu nahe am Feuer gestanden hatte.
»Monsieur de Brissac, ich bin entzückt, Euch wiederzusehen.« Ich nahm meine Maske ab.
»Ah! Ich bin überwältigt. Eure Züge strahlen mehr denn je, meine liebe Marquise.« Brissac trat zurück, als sei er geblendet. Wie lange soll das so weitergehen, dachte ich, indes ich ihm ein schelmisches kleines Lächeln schenkte.
»Meine liebe Freundin«, verkündete La Voisin mit falscher Herzlichkeit. »Monsieur le Duc hat eine glänzende Idee für einen Abend, den wir ungeheuer genießen werden.« Wir. O verflucht, ich konnte mich nicht herauswinden. La Voisin hatte für uns beide zugesagt.
»Ah – es ist nichts – eine Bagatelle – aber die kann ich Euch zu Füßen legen, Gnädigste.« Nur heraus mit der Sprache, Brissac, Kröte, die Ihr seid. Ich neigte den Kopf und klopfte mir mit meinem geschlossenen Fächer auf die Wange, um mein Interesse zu bekunden. La Voisin strahlte.
»Duc de Nevers hat mich mit einer reizenden kleinen Mission betraut. Er hat zusammen mit der Duchesse de Bouillon für die Aufführung des neuesten Elaborates von Monsieur Pradons Genius, ›Phèdre et Hippolyte‹, eine Anzahl Logen gekauft. Als Zeichen seiner Gunst will er die Plätze an Kenner der Kunst vergeben, die ein derartiges Meisterwerk aufrichtig zu schätzen wissen.« Ah, eine neue Mancinische Kabale. Diesmal mit Brissac als Mittler. Was für ein hübscher kleiner Plan von ihm, um Nevers' Gunst zurückzugewinnen! Die Duchesse de Bouillon ruiniert Racines Premiere und katapultiert Pradon mit Hilfe einer von Nevers rekrutierten Claque nach oben. Der Weg des Künstlers ist wahrlich steinig. Die Erinnerung an Lamotte vor so langer Zeit, hohlwangig und idealistisch, schoß mir durch den Kopf. Dann dachte ich an Racine. Was hatte er getan, womit hatte er sie gekränkt, diese Mancinis, daß sie sein Meisterwerk so beiläufig vernichteten, wie man eine Fliege zerquetscht?
»Ihr schlagt doch gewiß nicht vor, daß ich, eine Witwe, das Theater besuche?«
»Verkleidet, maskiert, mit
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