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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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waren ungefähr so wirksam wie jenes unwiderstehliche Parfüm, das meine Mutter zu benutzen pflegte. Wie kann ich dies in einen Vorteil für mich verwandeln? Mir gebührt Rache für diese Kopfschmerzen. Ich werde so tun, als hätte es gewirkt; zunächst werde ich Brissac wachsende Zärtlichkeit bekunden – ich werde ihm ein neues Habit kaufen. Damit werde ich sie ablenken. Dann werde ich mich verhalten, als ließe die Wirkung von dem Zeug nach, und ihre Anstrengungen beobachten, wenn sie versuchen, mir eine weitere Dosis zu verabreichen. Ich werde sie hübsch an der Nase herumführen.
    Ich erinnerte mich vage an eine Unterhaltung mit dem Vicomte über – ja, d'Urbec. Er wollte ihn vernichten. Ich dachte daran, wie d'Urbec auf der Kante meines Lehnstuhls gesessen hatte, als fürchte er, ihn zu beschmutzen, und seine Hände betrachtete, die rissig und schwielig waren vom Rudern. Wie oft kann ein Mensch vernichtet werden und dennoch unermüdlich vorwärts streben? Es hatte etwas Heldenhaftes. Die Szene in der Loge ärgerte mich nicht mehr. Diese lächerliche Komödiantin.
    Keine Frau, die er wirklich anziehend finden konnte. Nein, sie paßte zu seiner protzigen gemieteten Kalesche und zu den grellen Kleidern. Er blickte geringschätzig auf die Welt, als wollte er sagen: Ihr glaubt, Geld ist wichtig? Ich werde Euch Geld geben. Schnelles, grelles, vulgäres Geld. Der Mann mit Verstand verspottet auch das Geld. Sein Spott gefiel mir, ich kannte ihn gut, ich verstand den Spott, der Kränkung verbirgt, den Spott, der der Welt sagt, sie sei zu dumm und zu schwerfällig, um den rasenden Schritten eines glänzenden Geistes zu folgen. Und dann diese komische Zärtlichkeit, die sich hinter dem Spott verbarg, wenn er mich »Athena« nannte, wohl wissend, daß ich kaum Griechisch verstand. Und seine Verhöhnung Lamottes, scharf wie ein Degen, einen Freund durchbohrend, der zum Rivalen wurde. Rivale? Um wen? Nicht – nein, das konnte nicht sein, nicht um mich. Oh! Was war das für ein seltsames Gefühl, das mich überkam? Entsetzlich. Unvernünftig. D'Urbec erfüllte meine Gedanken, er machte, daß mir das Herz weh tat. Was habe ich nur für ein dummes Herz, dachte ich. Flüssig wie ein halb gekochtes Ei. Warum ist mein Herz so? Ich will kein Herz. Ich würde es mir herausschneiden, wenn ich könnte.
    An diesem Abend saß ich bei Kerzenschein nachdenklich vor meinem aufgeschlagenen Notizbuch. Ich sah d'Urbec vor mir in dem lächerlichen Überzieher, den er früher zu tragen pflegte, sah seine glühenden dunklen Augen und die gestikulierenden Arme, wenn er seine Theorie über die fiskale Ohnmacht des Staates erläuterte.

    Was ist mir geschehen? Ist es Mitgefühl, das so übermächtig wurde, daß es sich in etwas anderes verwandelt hat, oder war es immer da, und ich fürchtete mich, es zu erkennen? Warum hat es mich so geängstigt? Warum ängstigt es mich jetzt? Gott helfe mir, ich liebe Florent d'Urbec, und ich habe alles verdorben.

    Ich löschte das Blatt und klappte das Buch zu. Dann nahm ich ein leeres Blatt Papier und schrieb: »Hütet Euch vor Brissac. Er hat einen Plan ersonnen, Euch zu vernichten«, und unterzeichnete mit: »Ein Freund.« D'Urbec war gewiß noch zu wütend auf mich um es nicht fortzuwerfen, wenn er wüßte, woher es kam. Ich werde Mustafa mit der Übergabe betrauen. Er läuft damit wenigstens nicht gleich zu La Voisin. Dennoch könnte es in dieser intriganten Stadt geschehen, daß d'Urbec es niemals erhält. Ja, Mustafa. Sylvie nimmt von zu vielen Leuten Geld. Ich steckte das Billett unter mein Kopfkissen und sank in einen unruhigen Schlaf.

    »Nun, Mustafa, hat er mein Schreiben erhalten?« Mustafa, noch dick eingemummelt, war zurückgekehrt. Nach außen hin hatte ich ihm den Auftrag erteilt, in La Trianons unerschöpflichem Laboratorium neues Labsal zu kaufen. Als ich die Treppe hinuntereilte, um ihm persönlich die Türe zu öffnen, sah Sylvie nicht einmal von ihrer Flickarbeit auf, dachte sie doch, mein Eifer rühre von meiner Gier nach Opium.
    Mustafa sprach mit leiser Stimme: »Ja und nein, Madame.«
    »Was soll das heißen? Hast du nicht gesehen, wie er es in Empfang nahm?«
    »Ich fand seine Gemächer, indem ich mich beim Théâtre Guénégaud erkundigte, und habe einen alten Freund, einen Zwerg, der am Pont au Change bettelt, mit der Botschaft hingeschickt, damit Monsieur mich nicht erkennt. Mein Freund, der zuverlässig ist, wurde hereingeführt und traf ihn beim Frühstück mit La Bertrand, der

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