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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Augenschein.
    »Der Halbmond ist nicht mehr in Mode, seit Madame de Ludres damit gesehen wurde. Ich würde Euch zu dem Schmetterling raten, Madame«, erklärte sie.
    »Es ist Winter. Da sind Schmetterlinge nicht angezeigt.« Eine Korsettschnur riß und mußte erneuert werden. Meine grünen Seidenstrümpfe waren nur schwer aufzufinden. Hinter dem Wandschirm arrangierten wir die Anordnung der Unterkleider einige Male neu und wechselten die Schleifen an meinen Schuhen. Hin und wieder lugte ich auf die Rückenlehne des Stuhles, der durch das Gelenk des Wandschirmes zu sehen war. Da saß mein ungebetener Gast, steif wie eine Statue. Doch sein Nacken hatte sich gerötet. Seine Männer nahmen die Möbel in Augenschein und spähten aus dem Fenster.
    »Das grüne Taftkleid, Sylvie.«
    »Oh, Madame, mit dem lila Unterkleid? Aber das blaue Satinkleid ist weitaus extravaganter.«
    »Es ist noch zerknittert vom letzten Fest. Du bist so nachlässig, Sylvie.«
    »O bitte, Madame, bitte – ich kann es bestimmt in einer Minute richten«, jammerte Sylvie. Sie verstand es vorzüglich, eine unachtsame Zofe nachzuahmen.
    »Sage ihr, sie soll das verdammte grüne Taftdings anziehen«, grummelte es von jenseits des Wandschirms.
    »Duval, haltet Euch zurück«, erwiderte Desgrez' Stimme, angespannt von unterdrückter Wut.
    »Hauptmann, eine Kutsche ist vor dem Hause vorgefahren.«
    Sylvie und ich sahen uns hinter dem Wandschirm an.
    »Ich denke, ich ziehe doch das blaue Satinkleid an«, erklärte ich.
    »O ja, Madame. Habe ich Euch nicht gesagt, es ist entzückend?« Sylvies wimmernder, kleinlauter Tonfall war reif für die Bühne. Es fiel mir schwer, ernst zu bleiben.
    »Duval, wer ist es?« fragte Desgrez mit schneidender Stimme.
    »Die Kutsche ist nicht gekennzeichnet. Die Insassen sind sehr gut gekleidet, aber maskiert.« Ich trat hinter dem Wandschirm hervor.
    »Meine Theatergesellschaft, meine Herren. Wie findet Ihr das blaue Satinkleid? Ob es Monsieur le Duc gefallen wird?« Desgrez' Miene war eisern. Doch Duval und der andere Gehilfe wechselten einen bedeutsamen Blick.
    Man führte Brissac herein, und Desgrez erhob sich. Als er dem Herzog vorgestellt wurde, verneigte er sich tief und lüftete seinen Hut. Brissac, darin geübt, Gerichtsvollziehern und Geldeintreibern auszuweichen, erfaßte die Lage mit einem Blick. Langsam nahm er seine schwarze Samtmaske ab und gab Desgrez mit hochmütiger Miene zu verstehen, daß es bedauerlich sei, wenn er Pläne für einen Abend vereitelte, den Duc de Nevers höchstpersönlich arrangiert habe. Raffiniert, wie er den Namen des allmächtigen Nevers in das Gespräch einfließen ließ und, als Freund der Gerechtigkeit, vorschlug, zu einem späteren Zeitpunkt, wann es mir genehm sei, einen Schreiber zu mir kommen zu lassen. Ein boshaftes kleines Lächeln huschte über sein Gesicht, als Desgrez sich unter Verbeugungen rückwärts aus dem Zimmer entfernte. Dann wandte Brissac sich mir zu und verbeugte sich, wobei er seinen Hut auf eine Weise schwenkte, die besagte, da seht Ihr, welche Vorzüge eine Verbindung mit mir hätte, Madame. Aber was ich in Desgrez' Gesicht gesehen hatte, behagte mir nicht. Verhaltene Wut. Er haßte die Erlauchten; ihr Geld, ihre Unantastbarkeit. Er würde warten, bis er mich allein antraf, dieser Mann, der die Marquise de Brinvilliers über Jahre durch Europa verfolgt hatte, dieser Mann, dem es gelungen war, ihr ein Geständnis abzuringen, so daß nicht einmal ein Titel sie hatte schützen können. Brissac wußte das auch. Jetzt war ich auf ihn angewiesen, so wie er auf Nevers angewiesen war.

KAPITEL 26
    B rissac war seinem Gönner vortrefflich zu Diensten gewesen; in den Logen drängten sich maskierte Damen und Herren der Demimonde, die laut schwätzend ihren Pomp zur Schau stellten und sich neugierig umblickten. In unserer Loge befanden sich ein satanistischer Abbé mit seiner Mätresse, La Voisin und ihr gegenwärtiger Liebhaber Vicomte de Cousserans, ein wollüstiger Mensch mit purpurroten Adern auf der Nase. Im Plätschern der Gespräche war der Name »Pradon« zu verstehen, auch Gemurmel über Racines Mißerfolg – die schreckliche blonde Schauspielerin, zu plump für die Rolle, die kunstlosen Verse, die vulgäre Bearbeitung eines Themas, das mit äußerstem Feingefühl behandelt werden mußte, sollte es nicht, nun ja, unanständig wirken. So läßt sich die Meinung der Welt kaufen, dachte ich. Im Parkett skandierten bezahlte Soldaten, Studenten und Gesindel »Pra-don,

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