Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
Kartenspiel.«
    »Dafür könnte ich Euch durchbohren. Ihr beleidigt das älteste Geblüt Frankreichs, Ihr elender Niemand.« Brissac stand plötzlich auf. Immer mehr Menschen drängten sich um den Tisch; die anderen Spieler ließen von ihren Spielen ab.
    Im Nu hatte d'Urbec Brissac am Rock gepackt und ihn kräftig geschüttelt wie ein Terrier eine Ratte. Ein Kartenregen ergoß sich aus Brissacs Ärmeln.
    »Ei, was ist das?« rief Madame de Bonelle. »Monsieur Brissac, wie ungezogen!«
    »Canaille«, knurrte Brissac, und er versetzte d'Urbec mit dem Handrücken einen Schlag ins Gesicht, wie man einen Lakaien schlägt.
    »Monsieur de Brissac, die Würde meines Hauses –« Die helle Stimme der Comtesse de Soissons durchschnitt das erstaunte Gemurmel der Menge. Ich sah d'Urbec zuerst rot, dann weiß werden. Ein illegales Duell mit einem so hochstehenden Manne würde ihn entlarven und seinen Ruin bedeuten. Das Schlimmste, was dagegen Brissac für eine Versündigung gegen den König durch ein Duell zu gewärtigen hatte, waren ein paar Wochen in der Bastille. Brissac lachte. Die Comtesse sah d'Urbec an wie einen Straßenköter, der sich zwischen den Schoßhunden verirrt hat. Es war ein langer Blick, der selbst für Unbeteiligte demütigend war.
    »Wie könnt Ihr es wagen, Monsieur le Duc in meinem Hause in Verlegenheit zu bringen?« Ihre Stimme war eisig. »Ihr könnt Euch unverzüglich entfernen –«
    »Nicht ohne seine Schulden zu bezahlen«, warf Brissac ein. Seine barsche Stimme entbehrte jeglicher Höflichkeit. »Ich will es jetzt, d'Urbec. Eure Kutsche, den Leibrock, den Ihr tragt, alles.«
    »Meine Bankiers werden es Euch morgen früh überbringen, Monsieur le Duc.«
    »Monsieur de Brissac, ich wünsche diesen Streit nicht. Er soll sich augenblicklich entfernen. Wagt es nicht, mich zu beleidigen, indem Ihr wegen Belanglosigkeiten noch länger verweilt.«
    »Der Schurke könnte fliehen – ich will es jetzt, oder er muß in den Kerker.«
    »Ihr seid gewiß im Recht, Monsieur de Brissac, aber Ihr müßt verstehen, daß ich in meinem Hause keine gemeinen Vorgänge dulde.« Die Comtesse sah sich um. »Wer übernimmt bis morgen früh die Bürgschaft für die Schuld dieses – äh – Mannes?« Keine Menschenseele antwortete. Alle wichen vor d'Urbec zurück, der wie ein verwundetes wildes Tier im Kreise einer Meute Jagdhunde stand. In der Stille hörte ich meine Stimme wie von einem an deren Orte sprechen.
    »Madame, gestern abend hatte ich eine entsetzliche Vision, die ungerufen kam, als ich in meinen Spiegel blickte. Blut tropfte über die Glasfläche. Ich nahm es als Omen für den folgenden Tag.«
    »Hört auf die Prophetin«, sprach die Stimme eines Mannes hinter mir. Die Comtesse, ein unerschöpflicher Born des Aberglaubens, zuckte zusammen. Ich sah mehrere Damen sich bekreuzigen. »Um Euer vornehmes Haus, Eure illustre Person und Eure erlauchten Gäste vor diesem bösen Omen zu bewahren, will ich bis morgen früh für die Schuld dieses Mannes bürgen.« Brissacs Augen sahen mich haßerfüllt an. D'Urbec wandte sich langsam zu mir um. Sein Gesicht war teilnahmslos. Er verbeugte sich vor mir.
    »Meinen Dank, Madame de Morville«, sagte er. Und mit einer Verneigung vor der Comtesse schritt er alleine durch die Eingangshalle hinaus, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen.
    »Er kommt allzu leicht davon«, brummte Brissac seinem Günstling, Monsieur de Vandeuil, zu. »Heißt meine Lakaien ihn auf dem Nachhauseweg verdreschen.« Als ich Monsieur de Vandeuil verschwinden sah, fiel mir ein, daß d'Urbec keinen Degen trug. Stumm folgte ich ihm hinaus, vorbei an dem Bediensteten, der die heruntergefallenen Karten auflas. Ich hörte gerade noch, wie die Comtesse schalt: »Vergeßt nicht, Monsieur de Brissac, was in meinem Hause geschieht, ist meine Sache –«
    Mustafa folgte mir in einigem Abstand. Draußen auf der Treppe blieb ich stehen. De Vandeuil vertrat d'Urbec den Weg.
    »Duc de Brissac ist über Eure Vermessenheit gekränkt, Lakai.«
    Vier mit schweren Knüppeln bewaffnete Männer lösten sich aus dem Schatten und nahmen leise auf der Hofseite des Kutschtores Aufstellung.
    »Weil ich ihn in ganz Paris lächerlich gemacht habe? Karten im Ärmel – pah! Kleiner Köter, Euer Gebieter betrügt wie ein altes Weib.« D'Urbec wich dem Hieb aus. Sein Gelächter, irre und bitter, hallte durch den dunklen Hof. Gäste und Bediente hatten sich hinter mir auf der Treppe eingefunden, um zuzuschauen. Ein metallisches Gleiten war

Weitere Kostenlose Bücher