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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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saß ich nun, naß, knittrig und elend, neben ihrem kleinen Schreibpult.
    »Nur zu, nimm noch etwas, meine Liebe – was genau hast du La Reynie über mich erzählt?«
    »Nur daß Ihr mich in der Kunst des Wahrsagens unterwiesen habt, daß Ihr mich im Schnee fandet und ich Euch mein Leben verdanke und daß die in dem Buch aufgeführten Gebühren Lehrgeld waren –«
    »Sie haben deine Bücher in die Hände bekommen?«
    »Nur das letzte – es stand nichts darin – ich bin vorsichtig gewesen –« Sie tat meine Entschuldigungen mit einer Handbewegung ab.
    »Und warum ließ er dich gehen?«
    »Er konnte mich nicht gut wegen der Ermordung meiner selbst belangen – außerdem wünschte er, daß ich mich als Polizeispitzel betätige.« La Voisins Augen verengten sich. »Er wünscht, daß ich ihn einmal in der Woche mit einem Bericht aufsuche – deswegen brauche ich Eure Hilfe. Ich muß ihm Sachen liefern, die durchaus wahr scheinen, aber keinen Schaden anrichten können.« La Voisin trommelte mit den Fingern auf den Tisch.
    »Verflucht!« sagte sie. »Er wird dir einen Spitzel ins Haus setzen, um ganz sicherzugehen. Jemanden, der so leicht zu überreden ist wie du –« Sylvie, schienen ihre Lippen lautlos zu sagen, und gleichzeitig schoß mir der Name durch den Kopf. Die Schattenkönigin brach ab und sah mich kopfschüttelnd an. »Wie leicht du zu gängeln bist. Ich nehme an, er hat zuerst gedroht und dich dann mit dem Versprechen zu locken versucht, dich in den Schoß deiner liebenswerten Familie zurückzuführen. Und bei dem bloßen Gedanken daran hast du vollkommen kapituliert.« Sie brach in Lachen aus.
    »Er hat der Wache meine Beschreibung gegeben. Ohne seine schriftliche Genehmigung kann ich die Zollschranken nicht passieren, um aus der Stadt zu gelangen. Ich bin hier gefangen.«
    »Aber der König – dein großer Triumph – du mußt doch aus der Stadt heraus, wenn du wieder an den Hof gerufen wirst –«
    »Ich bin überzeugt, er hat sich mit dem König besprochen. Schließlich berichtet er ihm täglich. Meine Identität war zu schnell nachgewiesen, um deswegen nicht beim König vorzusprechen. Und ich darf wieder aus dem Glase lesen, vorausgesetzt, ich melde alle Wünsche nach politischen Lesungen und mache selbst keine politischen Prophezeiungen.«
    »Somit hält er buchstabengetreu sein Wort –«, murmelte La Voisin.
    »Ganz recht«, pflichtete ich ihr bei.
    »Wenn er Politik wünscht, wird er Politik bekommen. Wir können gewiß genug Verschwörungen erfinden, um die Polizei irrezuführen.« Ich nickte stumm. Ich konnte ihr nicht erzählen, daß die Polizei auch Informationen über verschuldete Leute wünschte, über Leute, die verzweifelt eine Erbschaft wünschten und die zu Gift greifen würden, um ihre Lage zu verbessern. Die Beichtväter von Paris hatten ihre Arbeit allzu gut gemacht. Durch sie war die Polizei schließlich dem Handel mit »Erbschaftspulvern« auf die Spur gekommen.

KAPITEL 31
    E s ist bedrückend, ein Haus aufzuräumen, das von der Polizei durchsucht wurde. Papiere, Bücher und Kleidungsstücke lagen überall umher. Im Weinkeller herrschte großes Durcheinander, die Hälfte der Flaschen fehlte. Wir warfen das zerbrochene Porzellan fort und schickten die aufgeschlitzten Wandbehänge zum Flicken.
    »Nicht stöhnen, Madame. Der Stuhl kann wieder aufgepolstert werden.«
    »Ich denke, ich lasse nur den Bezug stopfen, Sylvie. Und ich werde meine Gemälde verkaufen. Es wird nicht mehr so gut um uns bestellt sein, nachdem ich nun nicht mit dem Hofe reisen kann.« Der trübe Tag paßte zu meiner trüben Stimmung. Das neue Jahr war angebrochen, doch der Lenz schien weit entfernt. Ich hatte meinen mit Elfenbein eingelegten Beistelltisch und die größten Silberteile verkauft und dafür zwei Diamantarmbänder erstanden. Doch als ich La Reynie in der Verkleidung eines Fischweibes aufsuchte, hatte er beim Lesen meines Berichtes die Nase kraus gezogen und gesagt: »Ah, vortrefflich, genau was ich wollte. Aber sagt mir, was will ein Fischweib mit Diamantarmbändern? Ich hoffe, Ihr denkt nicht daran, uns zu verlassen. Mein Desgrez ist ein Bluthund, der über Grenzen nur lacht.« Während er mit der Hand den fauligen Fischgestank fortwedelte, dachte ich: Sylvie. Sie steht auch bei der Polizei im Sold. Ich muß vorsichtiger sein.

    »O seht, Madame, eine Kutsche hält vor dem Haus. Ein Zeichen. Eure erlauchte Klientel kehrt zurück.« Ich sah aus dem Fenster. Eine bekannte Gestalt in einem schweren,

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