Die Hexe von Paris
unternehmen, solange ich nicht von Rechts wegen zum Umgang mit deinem Eigentum ermächtigt bin.« Er legte den Kopf auf die Seite und sah mich mit amüsierter Miene aus dem Augenwinkel an.
»Florent –«
»Ja, ich weiß, was du sagen willst. Du müßtest mir vertrauen. Einen Menschen lieben, das ist eine Sache, aber ihm trauen, das ist etwas anderes, vor allem bei dir, nicht wahr, kleine Hexenmeisterin?« Lächelnd trank er den Rest aus seinem halb geleerten Weinkelch und wartete auf meine Antwort.
»Nein, das ist es nicht – aber du würdest dein Leben aufs Spiel setzen –«
»Das hat nichts zu bedeuten. Ich setze mein Leben stets aufs Spiel. Warum nicht für dich?«
»Florent, du versuchst mich zu überlisten, damit ich dich heirate.« Meine Hände zitterten.
»Natürlich. Und wie lautet deine Antwort?« Ich sah auf den Grund meines Weinkelches, versuchte, mich zu entscheiden, und die Angst packte mich wie Fieber.
»Ich – ich muß nachdenken. Ich sage es dir morgen.«
»Ich wußte, daß du so antworten würdest. Schicke mir Bescheid, wenn du dich entschieden hast. Doch zögere nicht zu lange, wir wissen nicht, wieviel Zeit dir noch bleibt. Wochen, Monate – bedenke das, wenn du über das entsetzliche Thema Ehe nachsinnst.«
In dieser Nacht erwachte ich wohl ein Dutzend Male und zitterte am ganzen Leibe.
Großmutters Papagei war es, der mir die Entscheidung abnahm. Er hatte sich erkältet und hockte auf seiner Stange, die Federn aufgeplustert, die schwarzen Augen trübe. Als ich ihn zum Aufwärmen ans Feuer brachte, gluckste er unglücklich.
»Lorito, dir ist genauso zumute wie mir«, sagte ich zu ihm.
»Hölle und Verdammnis«, krächzte er trübselig.
»Sehr richtig. So ein Schlamassel. Sage mir, soll ich fortgehen oder bleiben?«
»Sodom und Gomorrha«, verkündete der Vogel und reckte das Köpfchen.
»Du bist mir eine feine Hilfe. Ich muß mich entscheiden, ob eine Wahrsagerin, die mit der halben Welt Verdruß hat, einen Abenteurer heiraten soll, der mit der anderen Hälfte Verdruß hat. D'Urbec heiraten – das kann nicht gutgehen.«
»D'Urbec heiraten«, entschied der Vogel und guckte mich mit einem Auge an. »Kluger Lorito. Hübscher Lorito.« Das Gesicht des Vogels erinnerte mich an Großmutter in ihrem Häubchen. Ich nahm Papier und Tinte, setzte mich und schrieb einen Brief. Er enthielt nur ein einziges Wort:
Ja.
Sobald er die Botschaft erhalten hatte, kam er, um mir eifrig zu erörtern, welche Maßnahmen er nunmehr zu ergreifen gedenke.
»Das wichtigste ist im Augenblick, alles geheimzuhalten – vor der Polizei ebenso wie vor deiner Gönnerin. Niemand darf merken, daß der Vogel davonfliegen will. Sage nichts zu Sylvie. Ich besorge Trauzeugen und einen Priester, die bei niemand im Sold stehen; damit gewinnen wir Zeit, wenngleich ich nicht weiß, wieviel.«
»Florent, du hast mir noch nicht gesagt, daß du glücklich bist«, sagte ich. Er zögerte einen Moment und sah mich mit ernsten Augen an.
»Geneviève, du bist alles, was ich mir je gewünscht habe. Vergib mir meine schreckliche Angst, du könntest entfliehen, nachdem ich so lange gewartet habe.«
»Wenn ich mein Wort gebe, dann ist es für immer; mein Herz wird sich niemals wandeln. Denke daran – und sei gütig.«
»Du meinst, wenn ich mich wandeln sollte? Denke das nicht von mir. Niemals.«
Am nächsten Tag legte ich unter dem Vorwand, zu einem Souper eingeladen zu sein, freudig mein rosafarbenes Seidenkleid an, und wir fuhren durch den grauen Nebel zu einem entlegenen Sprengel am Rande der Stadt, wo wir von einem halbtauben alten Geistlichen und zwei maskierten Trauzeugen empfangen wurden. Es dunkelte bereits, doch die frisch angezündeten Kerzen im Mittelschiff offenbarten den armseligen Zustand des Gebäudes. In den dämmerigen Bögen über uns regte es sich, und schrilles Pfeifen war zu hören: In dem bröckelnden Gemäuer hatten sich Fledermäuse eingenistet. Dicker Staub lag auf der abblätternden Farbe der Heiligenstatuen. Die Holzpaneele des Beichtstuhles waren rissig. Ramponierte Eisengitter riegelten die privaten Kapellen ab. Dies war offensichtlich ein Sprengel, dessen Pfarrer dringend Geld brauchte.
In der Seitenkapelle, die von einer grellbunt bemalten Muttergottes mit einer Glitzerkrone beherrscht wurde, nahmen die Trauzeugen die Masken ab. Lucas, der Untergrundpoet, und – Lamotte. Florent lächelte ironisch, als er mich zusammenzucken sah. Es gibt gewisse Dinge, an die man an seinem Hochzeitstag
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