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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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mit Leintüchern hereinschaffen. La Reynie hielt Wort und ließ mir neues Labsal bringen, und ich nahm dies als Zeichen, daß er mich zu entlassen beabsichtigte und meine Mitarbeit wünschte. Was er mir schickte, war indessen von minderer Qualität und hatte weder das Aroma noch die Wirkungskraft von La Trianons göttlichem Produkt, dessen Rezeptur eigens für mich erstellt wurde. Die Wärter waren bärbeißige, ungeschlachte Grobiane, die die Anweisung, kein Wort zu dulden, sehr genau nahmen, wie ich um den Preis von Prellungen herausfand, als ich mich über einen viel zu teuren Wein beklagte. Père Clemens Predigten, La Reynies kleiner Scherz, erwiesen sich als ungemein fade. So verbrachte ich meine Zeit damit, sie so zu behandeln, als seien sie ein Code, indem ich verschiedene mathematische Methoden des Überspringens von Wörtern und Buchstaben anwandte, um seiner schalen, bombastischen Prosa neue, fesselnde Botschaften zu entnehmen.
    Als ich schließlich wieder in die geheime Verhörkammer gebracht wurde, waren meine Kleider zerdrückt, mein Haar strähnig, meine Stimmung fatal. Ich hatte viel Zeit gehabt, über meine Lage nachzudenken, und war infolge der Behandlung, die mir zuteil wurde, zu dem Schluß gekommen, daß der Polizeipräfekt von Paris mich dringender brauchte, als er erkennen ließ. Ich wollte mein Spiel mit ihm treiben und, wann ich es für ratsam hielt, aus der Stadt fliehen. Wenn ich erst wieder zu Hause war, wollte ich meine Pläne fassen. Zuerst ein Banktransfer ins Ausland, am besten durch einen Mittelsmann, sodann die Umsetzung einiger meiner Besitztümer und größeren objets d'art in Juwelen – »Nun, Mademoiselle, fandet Ihr die Predigten erhellend?« La Reynie hatte Papiere unterzeichnet, die ihm sein Schreiber vorlegte, während er wartete, daß ich zu ihm gebracht wurde. Ich konnte die Schriftstücke auf dem Kopf entziffern. Es handelte sich anscheinend um seinen täglichen Bericht an den König über die Zustände in Paris. Verbrechen, Gerüchte, Intrigen – der Bericht schien eigens darauf angelegt, das Interesse eines gewohnheitsmäßig gelangweilten Mannes zu wecken.
    »Unendlich erhellend, Monsieur. Sie sind in einem Code abgefaßt, der auf der Ziffer sechs basiert.« La Reynie hob die Augenbrauen. »Wenn Ihr Euch die sechste Zeile des sechsten Abschnittes der sechsten Predigt anseht und jedes sechste Wort auslaßt, werdet Ihr auf die wirkliche Meinung des Verfassers stoßen.« Ich reichte ihm das Buch. Er schlug es auf der richtigen Seite auf und fuhr mit dem Finger die Zeile entlang.
    » – der – Teufel – beherrscht – Frankreich – Rebell – gegen – Sünde – zerquetscht – Schlange – Tyrann.«
    »Wirklich ganz leicht zu entziffern. Wie jeder weiß, ist 666 die Zahl des Tiers in der Offenbarung. Der brave Priester sendet geheime Botschaften an die anderen Frondeure und Mörder seiner Bande.« Ich beobachtete La Reynie, der die Stelle sorgsam markierte und das Buch beiseite legte. Es erwärmte mich durch und durch, mir vorzustellen, wie der schwülstige Père Clement verhört wurde. »Huitième coin, nun sagt uns bitte noch einmal, warum habt Ihr die Botschaft in einer Predigt versteckt?« Und der Gehilfe des Scharfrichters würde den achten Keil in den Stiefel treiben, indes der abscheuliche Père Clement schreiend um Gnade flehte dafür, daß er die Öffentlichkeit mit seinem frommen Gewäsch behelligt hatte. Vollkommen gerecht.
    »Wir sind nicht hier, um über Predigten zu sprechen. Wir sind hier, um über Eure Zukunft zu sprechen –«
    »Als Euer Spitzel? Natürlich werde ich Euch informieren. Ich komme mit den Geheimnissen eines jeden Boudoirs in Paris zu Euch, sofern Ihr eine Methode ersinnen könnt, den König daran zu hindern, mich in der Minute hinrichten zu lassen, da er hört, daß ich wieder aus dem Glase lese.«
    »Ihr seid nach der vergangenen Woche unverschämt wie eh und je, Mademoiselle. Vielleicht benötigt Ihr mehr Zeit dort unten, um Bescheidenheit zu lernen. Weniger angenehme Umstände – ah, da werdet Ihr nachdenklich. Nun hört Euch meine Bedingungen an und sprecht nicht, bis ich Euch auffordere –«

    Das Feuer flackerte zwischen den schwarzen Kaminböcken in Katzengestalt, und Regen trommelte an das Fenster des kleinen Kabinetts der Schattenkönigin. Sie stand auf und schenkte noch ein Glas süßen Weines ein, das sie mir gütig lächelnd reichte.
    Ihre Kutsche hatte mich unmittelbar vom Châtelet zur Rue Beauregard gefahren, und dort

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