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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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mich durch die Korridore des Gebäudetraktes geleitete, in dem die Amtsräume lagen. Ich erkannte Polizeibeamte, Zensoren des Buchhandels und Rechtsgelehrte mit Aktenmappen. Zwei Inspektoren für Gewichte und Maße in ihren Amtroben waren stehengeblieben, um einen Baumeister zu begrüßen, der einen aufgerollten Plan unter dem Arm trug. Ich erkannte den Mann und lächelte in mich hinein. Es war Fauchet, architecte du roi, einer von La Voisins Liebhabern. Ein sehr gerissener Mann – er nahm immer sein eigenes Geschirr, wenn er bei La Voisin speiste.
    Du warst ein Dummkopf, du warst ein Dummkopf, brummte mein Verstand, während ich zu meiner im Hof wartenden Kutsche ging. Plötzlich wurde mir heiß vor Scham über die Befragung, die soeben stattgefunden hatte. Zu der Demütigung kam der Zorn darüber, übertölpelt worden zu sein, und der erste Anflug kalter Furcht. Meine Gedanken schwirrten durcheinander. Wie konntest du nur so schwach sein und zulassen, daß dieser Polizist sich über dich lustig machte? Er wird dich mit deiner eigenen Schwäche vernichten. Aber er hat auch seine Fehler, er sollte nicht so anmaßend sein. Nein, du hast ihm die Gelegenheit gegeben. Fürnehme Gewohnheit, wahrhaftig. Oh, wie konnte er es wagen?
    Nein, nein, sei ehrlich. Früher oder später wird es das Opium sein, das dich ihm ausliefert. Diesmal, diesmal werde ich mich davon befreien. Ich beginne mit – mit – nein, auf neue Weise. Ich lasse es jedesmal schwächer zusammensetzen, dann kann ich die Gewohnheit, es zu nehmen, beibehalten und gleichzeitig den Opiumgehalt vermindern. Diesmal wird es anders sein.
    Wutentbrannt und entschlossen begab ich mich zu La Trianons Laboratorium in der Rue Forez. Eine Schar munterer Mädchen in Schürzen und Holzpantinen kam heraus; sie kicherten und verbargen etwas. Einen Liebestrank, ohne Zweifel.
    Der kleine schwarze Empfangssalon war prachtvoller dekoriert denn je. Daß das Geschäft der Damen florierte, war deutlich zu erkennen. Im Alkoven war der Vorhang vor das Abbild des Teufels gezogen, und Onkel, der an seinem Draht hing, war hübsch bleich geworden. Ein Skelett hat etwas Unpersönliches; im Verlauf meiner zahlreichen Besuche hatte ich festgestellt, daß ich ihn ohne jegliches Gefühl betrachten konnte, abgesehen vielleicht von einer gewissen Befriedigung.
    »Ah«, sagte La Trianon, von der Ladenglocke aus ihrem Laboratorium gerufen, »die kleine Marquise! Meine Liebe, was verschafft uns die Ehre? Eure Nervenmedizin ist Euch doch gewiß noch nicht ausgegangen?«
    »Wegen des Labsals muß ich Euch sprechen. Ich muß es aufgeben.«
    »Ah, das habt Ihr Euch schon oft vorgenommen. Was ist diesmal geschehen? Sagt wieder ein Wundarzt, Ihr werdet daran sterben? Das haben wir Euch auch gesagt, Ihr nehmt mehr davon zu Euch als irgendein Lebewesen, das ich kenne.«
    »Es ist eine Schwäche. Sie macht mich anfällig. Die Zeiten sind gefährlich. Ich will nicht anfällig sein.« La Trianon kniff die Augen zusammen.
    »Ihr wißt es«, sagte sie. Was? dachte ich. Es muß etwas sehr Schlimmes sein. »Hat sie es Euch gesagt?« flüsterte La Trianon. »Ich hätte wissen müssen, daß es sich nicht vor Euch verbergen läßt, solange Ihr in der Wasservase lest.« Ich verhielt mich abwartend. Wenn ich Fragen stellte, würde ich meine Unwissenheit kundtun. Was immer Madame vorhatte, es war sichtlich gefährlich für mich, Mutmaßungen anzustellen.
    »Ich schnüffle nicht«, erwiderte ich, »aber ich kann nicht umhin, etwas zu erfahren. Doch ich bin aus einem anderen Grunde hier. Mir ist eine gute Idee gekommen: Ich möchte, daß Ihr das Opium im Labsal verdünnt, aber so, daß die Lösung genauso stark schmeckt. Ich zahle Euch denselben Preis, aber Ihr vermindert das Opium jede Woche um ein Viertel. So kann ich mich selber überlisten und es einschränken.« La Dodée war hereingekommen, um einige Papiere zu holen, und lächelte mir zu. Sie hatte meinen Vorschlag offensichtlich gehört.
    »Daß Ihr nur nicht am Ende Blut spuckt, wie letztes Mal. Sonst denkt Madame noch, wir hätten Euch vergiftet«, meinte sie munter. Mir fiel auf, daß La Trianon in Gegenwart der jüngeren Frau still wurde. Aha, sie hat nicht einmal ihrer Teilhaberin etwas erzählt. Madame muß wahrlich etwas sehr Ernstes vorhaben. Als La Dodée hinausging, stand La Trianon auf, legte eine Hand auf das Kaminsims und winkte mich mit der anderen zu sich.
    »Ich muß mit Euch reden – vertraulich«, flüsterte sie. »Ich kann La Voisin nicht

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