Die Hexe von Paris
leichenhaften Schminke.
»Mademoiselle Pasquier, Ihr seid ein erstaunlicher Anblick. Jetzt verstehe ich Euren Einfluß auf die Leichtgläubigen von Paris.«
Geneviève Pasquier schickte sich an, etwas Freundliches zu sagen, doch die Marquise kam ihr zuvor: »Man hat in diesem Gewerbe keinen Erfolg, wenn man ein Dummkopf ist«, fauchte sie.
»Das glaube ich gerne – und die Wahrsagerei ist es, über die wir etwas erfahren möchten. Laßt uns die einleitenden Förmlichkeiten überspringen. Zuallererst, wer ist die fürnehmste Wahrsagerin der Stadt?«
»Das bin ich, natürlich.«
»Ah, natürlich. Und an welche Stelle würdet Ihr Marie Bosse setzen?«
»La Bosse? Sie ist ein ungebildetes Weib mit einem gewissen Geschick, die Leute mit Karten zu betrügen. Das ist alles. Feine Leute gehen nicht zu ihr.«
»Eine Rivalin«, murmelte Desgrez.
»Offensichtlich. Das ist gut – so werden wir mehr erfahren«, meinte einer der Amtleute leise.
»Und wer ist die Frau, die als La Vigoreux bekannt ist?«
»Auch eine Wahrsagerin – ihre Spezialität ist Handlesen.«
»Kennt Ihr sie?«
»Freilich. Sie ist die Ehefrau des Schneiders, bei dem ich nähen lasse. Aber was meine Profession betrifft, so würde ich mit einer solchen Frau nicht verkehren. Sie ist eine Dilettantin.« Ein dünnes Lächeln erschien unter La Reynies Schnurrbart, als er die Verachtung in meiner Stimme vernahm.
»Schön, schön, mir scheint, jede Hausfrau, die etwas Taschengeld benötigt, betätigt sich als Wahrsagerin.«
»So könnte man sagen. Waschweiber, die sich gegenseitig die Wäsche waschen.« La Reynie sah Desgrez an, und Desgrez nickte grimmig.
»Kennen sich La Bosse und La Vigoreux?«
»Natürlich. Sie sind gute Freundinnen.«
»Speisen sie oft zusammen? Wer, würdet Ihr sagen, nimmt an ihren Abendgesellschaften teil?« Die Abendeinladung fiel mir ein. Wer war dort gewesen? Was war gesprochen worden?
»Gewiß speisen sie oft zusammen, aber ich kenne ihre anderen Bekannten nicht – zweitklassige Magier, Kartenbetrüger, Fälscher, Falschmünzer und dergleichen. Mit solchen Leuten wünsche ich keinen Umgang zu pflegen.«
Einer der Amtleute beugte sich vor und stellte mir seinerseits eine Frage: »Würdet Ihr sagen, daß Wahrsagerinnen in Zünften zusammengeschlossen sind wie die achtbareren Gewerbe?«
»Mehr oder weniger; das Gewerbe wird gerne innerhalb von Familien weitergegeben, genau wie alle anderen. Der Unterschied ist, daß hier noch weniger Außenstehende als Lehrlinge angenommen werden, und auch, daß die Vereinigung von Frauen geführt wird.«
»Und was wißt Ihr über poudres de succession, Mademoiselle Pasquier?« warf Desgrez ein. Eine komische Frage, dachte ich. Irgend jemand muß ihnen Informationen geliefert haben, die sie mit meiner Hilfe überprüfen wollen.
»Das, was ganz Paris weiß. Sie sollen allgegenwärtig sein. Wenn jemand unerwartet stirbt, heißt es, der Tod sei durch Gift verursacht worden. Ich mache ein gutes Geschäft, indem ich Klienten, die Angst vor Gift haben, ihre Feinde nenne, wie Ihr aus unseren – äh – früheren Gesprächen wißt.«
»Und was würdet Ihr über den Charakter von La Bosse sagen?« wollte La Reynie wissen. Ja. Zweifellos. Jemand hat die Polizei informiert. Vor wem hat sich La Bosse gebrüstet?
»Darüber weiß ich nicht viel. Ich sehe sie gelegentlich auf der Straße, aber ich habe nichts mit ihr zu schaffen. Sie ist die Witwe eines Pferdehändlers«, sagte ich mit meiner überheblichsten Stimme.
»Greift diese Pferdehändlerswitwe gerne zur Flasche oder nach etwas Fürnehmeren – sagen wir, Opium?« fragte La Reynie ruhig. Einen Augenblick war ich starr vor Entrüstung. Wie konnte er es wagen, uns miteinander zu vergleichen? Wie konnte er es wagen, so etwas Ordinäres wie die Trunksucht mit meinem Nerventonikum zu vergleichen?
Ich entgegnete kalt: »Wenn sie wie die anderen von ihrer Sorte ist, dann säuft sie wahrscheinlich wie ein Fisch.«
»Das ist alles, Mademoiselle Pasquier. Wie immer erwarte ich, daß Ihr zu niemandem ein Wort hierüber sagt.«
»Ihr wißt, daß ich das nicht kann, wenn ich im Geschäft bleiben will.« Während einer der Amtleute einem Lakaien bedeutete, mich hinauszuführen, hörte ich Desgrez leise zu La Reynie sagen: »Ja, Monsieur, unverzüglich. Ich veranlasse, daß Lebrun seine Frau zu ihr schickt –« Mir gefror das Blut. La Bosse würde wahrhaft so töricht sein, der Ehefrau eines Polizisten Gift zu verkaufen, dachte ich, als der Lakai
Weitere Kostenlose Bücher