Die Hexe von Paris
Neuen Welt. Welche Hexe hätte sich jemals mit meinem Reichtum und meiner Macht messen können? Und wenn die Zeit kommt, werde ich mich unter dem Schutz des englischen Milord ins Ausland zurückziehen.« Sie sah auf den Kamin, als blickte sie in die Zukunft, und meinte sinnend, mehr zu sich selbst: »Ich denke, ich werde Bienen züchten. Sie werden mich an dieses Königreich erinnern: ein Schwarm von Sklavinnen, die einer von Stolz geschwellten Herrscherin dienen, und eine Unzahl Drohnen. Die Bienen sind uns weit überlegen. Ihr Reich wird von einer Königin beherrscht.«
»Aber Euer Vergleich hält nicht stand, Madame. In der Gesellschaft der Bienen sind alle Mitglieder nützlich, oder sie werden verstoßen.« Die Wahrsagerin sah mich kopfschüttelnd an.
»Meine Liebe, du bist hoffnungslos verdorben. Kein Wunder, daß der Dämon dich nicht haben wollte. Zuviel Gelehrsamkeit aus Büchern, und nicht genug Beobachtung. Ich hätte es wissen müssen. Nun, du und unser Astaroth hier, ihr werdet jetzt gewiß froh sein, nach Hause zu kommen. Ich schicke dir Bescheid, wenn ich dich brauche – immerhin bist du nach wie vor die beste Wasserleserin im Königreich. Ansonsten komme nur einmal im Monat. Selbst dann, denke ich, wirst du mir wenig genug bringen.« Sylvie und ich erhoben uns, und die Schattenkönigin hielt uns die Türe ihres Kabinetts auf. »Viel Glück im Fischgewerbe«, sagte sie. Aber das letzte, was wir hörten, als sich die Türe hinter uns schloß, war der Schattenkönigin bitteres Gelächter.
KAPITEL 33
Z uweilen lassen sich große Ereignisse auf unbedeutende Anfänge zurückführen, und später, viel später, fragt man sich: Was, wenn es nie geschehen wäre? Eine Sekunde oder zwei, und eine Begegnung hätte nicht stattgefunden, ein Wetterwechsel, und Pläne wären nicht ausgeführt worden. Im Herbst des Jahres 1679 wurde ich zu Madame la Marquise du Roure gerufen, um für sie zu lesen. Es war die Zeit der rauhen Witterung vor der bitteren Kälte des Winters. Als ich vor dem Feuer stehenblieb, um mich zu wärmen, sah ich ihre Tochter durch den Raum gehen. Sie trug ein Winterkleid, das nach der neuesten Mode gearbeitet war, mit kurzen, weiten Überärmeln aus Samt, die hübsch geraffte Unterärmel freigaben. Der pelzverbrämte Rock war hinten hochdrapiert, um die schmale Taille zu betonen. Das in Karmesinrot und Weiß gehaltene Kleid brachte ihre dunklen Haare und ihr fuchsartiges Gesicht dergestalt zur Geltung, daß sie beinahe liebreizend aussah. Wahrlich eine vortreffliche Mode. Als ich mit einer ansehnlichen Vergütung von dannen ging, war ich von dem Wunsche beseelt, ein nach dieser Mode gearbeitetes Kleid zu besitzen. Seit Tagen trug ich Florents Brief an meinem Busen. Auf dem Nachhauseweg zog ich ihn hervor und las ihn aufs neue.
» – meine Geschäfte sind erfolgreich abgeschlossen, und ich kehre nach Hause zurück, sobald das Wetter sich aufklärt und eine gefahrlose Überfahrt gestattet. Sei vorsichtig, sei klug. Bald werden wir für immer Zusammensein –«
Ich lasse mir so ein Kleid nähen, dachte ich, für seine Rückkehr. Es wird mir gut zu Gesicht stehen und ihm gefallen. Ich malte mir aus, wie ich ihn an der Türe empfing und wie er ausrief, ich sei noch liebreizender geworden. Zu Hause skizzierte ich das Kleid auf einem Blatt Papier, um damit zu Mathurin Vigoreux, dem Damenschneider, zu gehen.
Mit Sylvie durchstreifte ich mehrere Tage die Tuchhandlungen nach dem geeigneten Stoff, und am Montag darauf fand ich mich bei dem Schneider ein, um Maß nehmen und den Stoff zuschneiden zu lassen. Ich traf Marie Vigoreux, des Schneiders Ehefrau, in den Räumlichkeiten hinter der Schneiderei an, wo sie Marie Bosse bewirtete.
»Karmesinroter Samt, wie? Kein Kleid für eine Witwe – wohl auf der Suche nach einem neuen Liebhaber, wie?« meinte La Vigoreux lachend. Sie hatte ihren massigen Leib in einen schäbigen Lehnstuhl gequetscht. La Bosse saß ihr gegenüber. Zwischen ihnen züngelte das Feuer im Kamin, auf dem Sims ruhten mehrere Porzellankatzen unterschiedlicher Größe. Ich gewahrte außerdem eine merkwürdig aussehende Schatulle, einen schmalen Kerzenleuchter sowie Schnupftabak. Unwillkürlich sah ich nach, ob die Kerze schwarz war. Es war eine billige gelbe Unschlittkerze.
»Oh, wie ich höre, hat sie schon einen. Und La Voisin ist ihm nicht wohlgesonnen.« Der verschlagene Blick, mit dem La Bosse dies sagte, gefiel mir nicht. Puder und Rouge wurden rissig, als ihr faltiges Gesicht
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